Cum-Ex-Architekt kommt hinter Gitter

Landgericht Bonn verurteilt Hanno Berger zu acht Jahren Haft

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Seinen Lebensabend hat Hanno Berger sich vermutlich anders vorgestellt. Denn das Landgericht Bonn verurteilte den 72-Jährigen am Dienstag zu acht Jahren Haft. Laut dem Gericht hat er sich im Rahmen von Cum-Ex-Deals zwischen 2007 und 2011 in drei Fällen der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Neben der Haftstrafe muss er knapp 13,7 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Jedoch muss sich der einstige Steueranwalt wegen seiner illegalen Deals noch vor dem Wiesbadener Landgericht verantworten.

Was dem einen Leid, ist dem anderen Freud. »Hanno Berger zu Gefängnisstrafe verurteilt – das ist ein großer Erfolg, auch wenn sich manch einer vielleicht eine längere Strafe für ihn gewünscht hätte«, kommentierte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, den Ausgang des Prozesses. Die Botschaft dieses Tages laute: »Das Recht ist stärker als das kriminelle Geld.« Denn Hanno Berger war kein kleiner Akteur bei den Cum-Ex-Machenschaften. Experten gilt er schon länger als der Architekt hinter dem größten Steuerskandal der Geschichte der Bundesrepublik.

Bei Cum-Ex-Deals wurden Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag verkauft, um sich so vom Fiskus mehrfach eine Rückerstattung der Kapitalertragssteuer zu erschleichen, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde. Es war also ein dreister Griff in die Staatskasse. Erst 2012 wurden diese Deals unmöglich gemacht. Der Steuerschaden wird auf mindestens zehn Milliarden Euro geschätzt. Bezieht man weitere Formen von steuergetriebenen Finanzmarktgeschäften wie Cum-Cum ein, erreicht der Schaden mindestens 35 Milliarden Euro.

Hanno Berger soll unter anderem die Warburgbank zur Aufnahme von Cum-Ex-Geschäften bewogen haben, deren Verwicklung in die krummen Deals auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Bedrängnis brachte. Auch andere Akteure in dem Skandal beriet er und erhielt dafür millionenschwere Provisionen. Der Angeklagte habe Geschäfte initiiert und sie anderen Beteiligten »beigebracht«, sagte Staatsanwalt Jan Schletz vergangene Woche bei seinem Schlussplädoyer. In den drei Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung, bei denen Berger den Ermittlungen zufolge mitwirkte, sei ein Steuerschaden von 276 Millionen Euro entstanden.

Berger, der seine Karriere zunächst bei der hessischen Finanzverwaltung begann und dann die Seiten wechselte, hat sich lange vor einer Verurteilung in Deutschland gewehrt. Als er ins Fadenkreuz der Ermittlungen geriet, setzte er sich im Jahr 2012 in die Schweiz ab. Im Juli vergangenen Jahres wurde Berger aufgrund eines Auslieferungsersuchens aus Deutschland im Kanton Graubünden festgenommen. Seine Beschwerden gegen die Überstellung an die hiesige Justiz scheiterten.

Im Jahr 2019 meldete sich Berger aus seinem Schweizer Exil in einem Interview mit »Capital« zu Wort und beteuerte seine Unschuld. Es gebe keinen Steuerskandal, »sondern ein politisches Versagen – und das ist der Skandal«, so Berger damals. Das Steuerrecht sei so angewendet worden, wie es vom Gesetzgeber beschlossen wurde. »Dass die Politik das heute rückwirkend kriminalisiert, ist der zweite Skandal, ein Justizskandal.« Berger behauptet in dem Interview auch, dass nie ein Steuerbetrug stattgefunden habe. »Theoretisch« habe es diese Gefahr gegeben, aber er kenne »keinen einzigen Nachweis, dass dies auch tatsächlich passiert ist«.

Im Rahmen des Prozesses legte er dann doch ein Teilgeständnis ab: Er habe von 2009 an mit »bedingtem Vorsatz« gehandelt, behauptete Berger im August. Demnach habe er nicht mit voller Absicht Steuern hinterziehen wollen, eine mögliche Steuerhinterziehung aber billigend in Kauf genommen. Für Staatsanwalt Schlenz war diese Einlassung prozesstaktisch motiviert. Er forderte neun Jahre Haft. Das Urteil ist nun ein Jahr darunter, womit Berger noch einigermaßen glimpflich davonkommt. Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren.

Für Cum-Ex-Experten Gerhard Schick, der in seiner Zeit als Grünen-Abgeordneter den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag mitinitiierte, ist der Skandal mit Bergers Verurteilung noch lange nicht aufgearbeitet. »Von den über 1500 Cum-Ex-Beschuldigten wurde bisher nicht einmal ein Prozent auch nur angeklagt«, so Schick. Insofern stehe man noch am Anfang eines Marathons, an dessen Ende sich möglichst viele für diesen Griff in die Staatskasse verantworten sollten.

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