• Sport
  • Fußball-WM in Katar

Der nächste große Preis

Nach der Fußball-Weltmeisterschaft will Katar auch endlich das zweite große Sportevent haben und sehnt sich nach Olympia

  • Christian Hollmann, Doha
  • Lesedauer: 5 Min.
Doha richtete noch nie Olympische Spiele aus. Dennoch baute Katar neben das Khalifa International Stadium schon eine überdimensionierte Fackel.
Doha richtete noch nie Olympische Spiele aus. Dennoch baute Katar neben das Khalifa International Stadium schon eine überdimensionierte Fackel.

Auf weitere olympische Lobbyarbeit bei IOC-Chef Thomas Bach müssen Katars Sportfürsten beim WM-Finale unplanmäßig verzichten. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees hat die Reise zum Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft nach einer Corona-Infektion auf Anraten seiner Ärzte abgesagt. Möglich ist allerdings, dass der WM-Gastgeber schon bei Bachs Besuch beim Eröffnungsspiel mit Nachdruck hinterlegt hat, endlich auch Sommerspiele nach Doha holen zu wollen.

Zwei Versuche des Golfstaats hat das IOC bislang durchfallen lassen. Die gemeisterte WM aber dürfte den Ehrgeiz der Katarer weiter befeuern. »Wir haben unseren Willen und unsere Motivation gezeigt, es auszurichten. Ich denke, es liegt auf der Hand«, sagte WM-Chef Hassan
al-Thawadi.

Schon wird spekuliert, Katar könne nach Olympia 2036 greifen und die Spiele dann wie die Fußball-WM in den Spätherbst verlegen. Das Emirat könnte mit der für viele Milliarden erbauten WM-Infrastruktur wie den Stadien und der U-Bahn werben. Klimatisierte Arenen, vielleicht gar eine klimatisierte Marathon-Strecke – für das schwerreiche Katar kein Problem. Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani ist schon seit 2002 Mitglied des IOC.

Mit einer Reihe von Großereignissen hat Katar in den vergangenen Jahren seine sportpolitische Strategie untermauert. Die Handball-Weltmeisterschaft 2015, die Rad-WM 2016, die Turn-WM 2018 und die Welttitelkämpfe der Leichtathleten 2019 richtete Doha bereits aus. Die vorläufige Krönung ist das Gastspiel der Fußball-Weltelite um Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Auch die Formel 1 und die Profi-Tennistour machen in den nächsten Jahren regelmäßig Station in Katar. 2024 kommt dann noch die Schwimm-WM nach Doha.

»Wir waren ein regionales Kraftzentrum im Sport und wir werden es bleiben«, sagte Nasser al-Khater, Turniergeschäftsführer der Fußball-WM. Neben Imagegewinn und Strahlkraft will sich sein Land auch auf diesem Weg einen möglichst großen Einfluss und ein möglichst großes Netzwerk in der Welt verschaffen. Für 2030 sind bereits die Asien-Spiele an Doha vergeben. Die kontinentale Großveranstaltung war mit rund 12 000 Teilnehmern in 465 Disziplinen zuletzt ohnehin schon größer als die Olympischen Spiele selbst.

Der dritte Anlauf auf Sommerspiele wirkt da schon fast wie eine logische Konsequenz. Bei den Versuchen für Olympia 2016 und 2020 war Katar schon in der Vorauswahl gescheitert. Die nächsten drei Ausgaben sind allerdings auch schon an Paris 2024, Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 vergeben. 2036 könnte dann wieder Asien an der Reihe sein, so das mögliche Kalkül in Katar. Erstmals Olympia in der arabischen Welt und in einem islamischen Land, auch damit könnte das Emirat beim für solche Argumente empfänglichen IOC werben.

Doch die jüngsten Erfahrungen mit Katar könnten den bei der Gastgeberauswahl nicht zimperlichen Ringezirkel abschrecken. Bei der Leichtathletik-WM verstörten Bilder von in der Hitze kollabierten Marathon-Läufern die Sportfans, ähnlich war es davor bei der Rad-WM. Auch das Zuschauerinteresse hielt sich jeweils in Grenzen.

Vor der Fußball-WM brüskierten die Organisatoren mit dem kurzfristigen Ausschankverbot für alkoholisches Bier auch noch einen der wichtigsten Sponsoren des Weltverbands Fifa. Und nun sorgt Katars mögliche Verwicklung in einen Korruptionsskandal im EU-Parlament für weitere negative Schlagzeilen. Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.

Über allem aber steht die weiterhin anhängende Debatte um Menschenrechtsverstöße und den Umgang mit Arbeitsmigranten in Katar. Der Streit um die Zahl der gestorbenen Arbeitsmigranten und der Wirbel um das Verbot der »One Love«-Kapitänsbinde für Vielfalt und Meinungsfreiheit überschatteten zumindest Vorlauf und Anfang dieser Fußball-WM. Auch weil Homosexualität in Katar verboten ist und mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft wird, steht das Emirat in der Kritik. Katar weist Vorwürfe zurück und führt weitreichende Reformen an, von deren wirklicher Umsetzung viele Beobachter aber bis heute nicht überzeugt sind.

»Es gibt für die Vergabe klare Kriterien: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen in Bezug auf die Olympischen Spiele in den Bewerberländern Anwendung finden«, sagte IOC-Chef Bach im Interview der »Stuttgarter Zeitung«. Der neue Auswahlprozess des IOC macht das Bewerberverfahren indes eher undurchsichtiger. So mancher Beobachter verweist in diesen Tagen auch wieder darauf, dass Bach als langjähriger Chef der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa gute Verbindungen in diese Weltregion pflegte. Der Jurist hatte das Amt 2013 vor dem Wechsel auf den IOC-Chefposten aufgegeben.

Bei einer Bewerbung für 2036 könnte Katar neben Ländern wie Indien, Indonesien oder Südkorea auch auf einen deutschen Kandidaten treffen. Der Deutsche Olympische Sportbund will im nächsten Jahr mithilfe einer Stabsstelle eine Grundsatzentscheidung vorbereiten, ob und wann ein neuer Versuch gestartet wird. »Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich es begrüße, wenn Interesse in Deutschland bestehen würde«, sagte Bach in dieser Woche. In Katar dürften sie solche ermunternden Worte kaum noch benötigen. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -