Trotz hoher Energiepreise keine Priorität

Teilwarmmiete könnte einer Studie zufolge Entlastung für Mietende bringen

Explodierende Energiepreise sind besonders für Menschen mit wenig Einkommen ein existenzielles Problem.
Explodierende Energiepreise sind besonders für Menschen mit wenig Einkommen ein existenzielles Problem.

Die Wohnkosten für Mieterinnen und Mieter in Deutschland steigen und steigen. Bisherige Versuche, die Wohnkostenkrise zu stoppen, blieben erfolglos. »Wir haben im Moment sehr große Herausforderungen«, erklärt Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Dazu trügen drei Faktoren bei.

»Zum einen dadurch, dass die Mieten sowieso, aber insbesondere im letzten Jahr noch einmal sehr stark angestiegen sind«, so Weber-Moritz. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte das Institut der Deutschen Wirtschaft eine Studie, nach der die Angebotsmieten im letzten Jahr im Schnitt um rund sechs Prozent gestiegen waren. Auch in Bundesländern wie dem Saarland, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, also dort, wo es in den vergangenen Jahren keine derart starken Mietsterhöhungen gab, gibt es nun eine Art Nachholeffekt. Verstärkend kommt hinzu, dass es nicht so viel Neubau gibt wie von der Bundesregierung vorgesehen. »Auch hier werden die Entlastungen auf dem Wohnungsmarkt nicht so geschafft wie eigentlich geplant«, stellte Weber-Moritz fest. Die dritte Krise, die nun noch dazu komme, seien die Energiepreise. So ist der Gaspreis im Dezember 2022 dreimal so hoch wie ein Jahr zuvor. Somit erhöhen sich für Mieterinnen und Mieter auch die Abschlagszahlungen für das kommende Jahr.

Die Ampel-Koalition will das Problem der explodierenden Wohnkosten auch mit einer Erhöhung der Sanierung des Gebäudebestands erreichen. Dadurch sollen die Energiekosten für Mieterinnen und Mieter gesenkt werden. Doch aktuell führen Sanierungen nur zu noch höheren Kosten für Mieterinnen und Mieter, so das Ergebnis einer Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Deutschen Mieterbundes. »In der Praxis sehen wir, dass die Wohnkosten der Mieterinnen und Mieter sich nach einer energetischen Sanierung nicht senken«, erläutert Franz Michel, Leiter Wohnungs- und Mietenpolitik beim Mieterbund. »Das liegt insbesondere daran, dass die Umlage der Modernisierungskosten auf der Kaltmiete zum Teil zu deutlichen Erhöhung führt.«

Die Studie zeigt, dass sich trotz hoher Energiepreise und damit hoher Einsparungspotenziale durch eine energetische Sanierung die Mietkosten nach einer solchen um bis zu 1,30 Euro pro Quadratmeter erhöhen. Es werden außerdem nur fünf bis zehn Prozent der Fördermittel für die energetische Sanierung abgerufen. Für Vermietende lohnt es sich eher, die Modernisierungsumlage zu nutzen. Denn das bedeutet eine dauerhafte Erhöhung der Jahresmiete um bis zu acht Prozent, auch wenn die Sanierungskosten längst durch die höhere Miete ausgeglichen wurden.

Stattdessen könnte laut der Studie die Einführung einer Teilwarmmiete Entlastung bringen. Bei der Teilwarmmiete stellt der Vermieter die Grundheizkosten. Alles, was darüber hinaus an Heizleistung in Anspruch genommen wird, zahlt der Mieter je nach Verbrauch selbst. Dies bietet einerseits für Mieterinnen und Mieter eine Senkung der Heizkosten. Zudem haben die Mietenden dann den Vorteil, dass das Risiko von Energiepreissteigerungen vollständig beim Vermietenden liegt. Diese haben hingegen einen größeren Anreiz, alte Heizungen und schlecht gedämmte Außenfassaden zu modernisieren. Denn sie erhalten trotzdem die gleiche Teilwarmmiete, auch wenn sie durch die Sanierung Energiekosten sparen.

Damit das Modell der Teilwarmmiete wirklich die Vorteile bringe, müsse laut der Studie die Modernisierungsumlage aufgehoben werden. Wichtig sei zudem zu verhindern, dass das System zu Fehlanreizen führe. Sonst könne es dazu kommen, dass Vermietende bei Neuvermietung eher Haushalte mit geringem Verbrauch, etwa Alleinlebende, bevorzugten und solche mit hohem Verbrauch, wie etwa Familien, benachteiligten.

Auch die Bundesregierung hat sich eigentlich zur Prüfung der Teilwarmmiete verpflichtet. »Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden, prüfen wir einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete«, schrieben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Doch auf der Prioritätenliste ist das Thema ganz weit hinten.

Mit einer konkreten Erarbeitung rechne man eher zum Ende der Legislatur, also zum Jahr 2024/25, erklärt Michel am Mittwoch. »Es ist sozusagen das letzte Thema, das die Koalition anpacken will.« Dabei seien die steigenden Mietkosten ein Riesenproblem. »Die energetische Sanierung ist nicht nur aus Klimaschutzgründen nötig, sondern auch aus Gründen der Kostenbegrenzung«, fasst Weber-Moritz das Fazit des Mieterbundes zur Studie zusammen. »Die Preise für fossile Energieträger werden sicherlich auch in Zukunft nicht sinken, sondern auch langfristig eine Falle für viele Mieterinnen und Mieter sein.«

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