Verbot statt Verhandlungen

PKK bleibt nach Gerichtsentscheid weiter auf EU-Terrorliste

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Entscheidung des EU-Gerichts erscheint wie eine Bestätigung der türkischen Politik gegenüber den Kurden: keine Verhandlungen, ausschließlich Repression. Wie das in konkreten Handlungen aussieht, kann man seit Wochen beobachten. Die türkische Armee bombardiert ungestört den Norden Syriens und des Irak – angeblich um kurdische »Terroristen« zu bekämpfen, die den türkischen Staat bedrohten. Gemeint sind damit mutmaßliche Stellungen von Kämpfern der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die der türkischen Regierung als reine Ableger der PKK in Syrien gelten. Diese völkerrechtswidrigen Angriffe treffen vor allem die Zivilbevölkerung, rufen aber im Westen nicht viel mehr hervor als eine kaum verdeckte Indifferenz; allenfalls ringt man sich in Washington oder europäischen Hauptstädten dazu durch, den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zur Mäßigung beim Bombenwerfen anzuhalten.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die (PKK) nicht von der Terrorliste der Europäischen Union zu nehmen, hat hohe politische Bedeutung. Derzeit läuft der Prozess, Schweden und Finnland in die Nato aufzunehmen; dafür müssen alle Nato-Mitgliedstaaten zustimmen. Die Türkei verlangt als Gegenleistung die Auslieferung angeblicher kurdischer Terroristen auch der PKK aus den beiden Ländern. Erst vor wenigen Tagen hat Schweden einen Mann an die Türkei ausgeliefert, der als Mitglied der in der EU verbotenen PKK verurteilt worden war.

Das Verbot der PKK und ihre Kriminalisierung verhindern de facto eine Verhandlungslösung zwischen dem Staat und den Kurden in der Türkei, von denen ein nicht geringer Teil sich auch durch die PKK vertreten fühlt. Schon 2015 schrieb Türkei-Experte Günter Seufert, heute Leiter des Centrums für angewandte Türkeistudien (CATS) am Thinktank SWP, dass Erdoğan noch vor der Parlamentswahl im Juni 2015 »und gegen seinen Ministerpräsidenten Davutoğlu das Ende der von ihm selbst eingeleiteten Friedensverhandlungen mit der PKK erklärte und die bedingungslose Unterwerfung der PKK forderte«.

Gegen das PKK-Verbot auf EU-Ebene hätten die beiden führenden Mitglieder der Partei, Murat Karayılan und Duran Kalkan, vor dem EuGH geklagt, berichtete die kurdische Nachrichtenagentur ANF News. Das Gericht bestätigte am Mittwoch in Luxemburg die Verlängerung restriktiver Maßnahmen gegen die PKK durch den Europäischen Rat, also die Regierungen der Mitgliedstaaten, und wies die Klage der PKK dagegen ab. Dabei ging es konkret um das Verbleiben der PKK auf der Terrorismusliste der EU und damit das Einfrieren von Geldern, was mit Entscheidungen von 2021 sowie vom Februar 2022 verlängert wurde.

Zwar habe der Europäische Rat dabei einige Fehler gemacht, räumten die Richter in ihrer Entscheidung ein. Diese stellten aber nicht die Einschätzung in Frage, dass weiterhin das Risiko bestehe, dass die PKK in Terrorismus verwickelt sei, erklärte das Gericht. Die strittigen Beschlüsse sind inzwischen abgelaufen und durch einen neuen Beschluss vom Juli ersetzt, mit dem die PKK ebenfalls auf der Liste bleibt. Der EU-Gerichtshof habe bereits 2018 entschieden, dass die PKK zwischen 2014 und 2017 zu Unrecht auf der »Terrorliste« gestanden habe, so ANF News. Der Europäische Rat ging gegen das Urteil in Berufung. Die PKK klagte auch gegen die Listen von 2018 bis 2020. Beide Verfahren wurden vom Gericht zusammengeführt. In einem Urteil vom 30. November 2022 bestätigte der EuGH, dass die Liste von 2014 hinsichtlich der PKK annulliert werden muss. Zu den Folgelisten bis 2020 wurde die Klage der PKK abgewiesen.

Die »Terrorliste« wird formal alle sechs Monate aktualisiert, die PKK wurde jedoch mit immer gleichen Begründungen erneut darauf gesetzt. Die PKK wird von der EU seit 2002, von England seit 2000 und von den USA seit 1997 als terroristische Organisation eingestuft. Deutschland verbot schon 1993 die Aktivitäten der PKK, kurdische Einrichtungen wurden geschlossen, Aktivist*innen inhaftiert.

Ins Visier der EU geriet die PKK nach den Anschlägen vom 11. September 2001: Auf Druck der US-Regierung sei im Dezember 2001 eine EU-Liste terroristischer Organisationen enstanden, auf der zunächst zwölf Organisationen gelistet worden seien, so ANF News, darunter die baskische ETA, die Hisbollah im Libanon und die Hamas – nicht die PKK. Nach Intervention der Türkei und anderer Mächte erklärte der EU-Ministerrat am 2. Mai 2002, dass auch die PKK in die Liste aufgenommen worden sei.

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