Verdi droht Twitter mit Strafanzeige

Gewerkschaft wirft Musk-Konzern Verhinderung von Betriebsratswahl vor

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi droht Twitter mit einer Strafanzeige. Der Grund ist laut der Gewerkschaft sogenanntes Union Busting, also die Behinderung von Betriebsratsarbeit, durch Twitter Germany, einer hiesigen Konzerntochter. In Deutschland sei es kein Kavaliersdelikt, eine Betriebsratswahl zu behindern, sondern strafrechtlich relevant, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz am Mittwoch.

Die Gewerkschaft hatte Ende November zu einer Wahlversammlung eingeladen, auf der auch ein Wahlvorstand gewählt wurde. Doch der konnte die Betriebsratswahl noch nicht durchführen, weil ihm laut Verdi bisher von dem Unternehmen notwendige Unterlagen vorenthalten wurden. Konkret geht es um die Herausgabe der Dokumente für eine Wählerliste, zu der der Arbeitgeber verpflichtet ist. Doch Twitter Germany ließ die ursprüngliche Frist verstreichen, auch eine zweite vom Wahlvorstand bis zum 7. Dezember gesetzte Frist blieb laut Verdi unbeantwortet. Deswegen will man nun die Herausgabe der Wählerliste per einstweiliger Verfügung erzwingen.

Laut geltendem Recht stellt die Behinderung von Betriebsratsarbeit eine Straftat dar. Theoretisch steht darauf eine Strafe von bis zu einem Jahr Haft. Jedoch kommt es nur äußerst selten zu einer Verurteilung, weil die Anzeige erst von den von Union Busting Betroffenen oder ihren Gewerkschaften gestellt werden muss, was eine große Hürde ist. Die Ampel-Koalition will Union Busting deswegen zu einem Offizialdelikt machen, bei dem die Staatsanwaltschaft von sich aus ermitteln muss.

Gerade in der jetzigen Situation gibt es von Twitter ein objektives Interesse, die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern. Ende Oktober kaufte der Tech-Milliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst für 44 Milliarden US-Dollar und kündigte einen massiven Stellenabbau an. Auch hierzulande kam es Medienberichten zufolge zu Kündigungen. Verdi hilft und koordiniert deswegen Kündigungsschutzklagen seiner Mitglieder in dem Unternehmen.

Gäbe es bei Twitter Germany bereits einen Betriebsrat, hätte er bei Massenentlassungen ein großes Mitspracherecht. Laut Betriebsverfassungsgericht müsste die Unternehmensführung diesen nicht nur vorher »rechtzeitig und umfassend« darüber informieren, sie müsste vor allem auch mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln. Dies schließt auch die Verhandlung über Abfindungen mit ein, die das Unternehmen dann zahlen müsste.

In einem Anschreiben an die laut des Berliner Handelsregisters aufgeführten Geschäftsführer von Twitter Germany, Kevin Matthew Cope und Sean Jeffrey Edgett betont Verdi, dass die angedrohte Strafanzeige als »letzte ausdrückliche Warnung« zu verstehen sei. Ihr sei »an einer weiteren tatsächlichen und rechtlichen Eskalation nicht gelegen«, sondern vielmehr »an einer vertrauensvollen und fairen Zusammenarbeit«, so die Gewerkschaft. Das setze allerdings voraus, dass die Arbeitgeberseite »von weiteren die Wahl behindernden Unterlassungen beziehungsweise Handlungen nachhaltig absehen und die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in jeder Hinsicht respektieren« müsse.

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