Tödliche »Zwangsmittel«

Neue Erkenntnisse zum Gesundheitszustand eines nach Tasereinsatz in Dortmund Verstorbenen

Kurz nach dem Tod eines Mannes nach einem Polizeieinsatz in Dortmund protestierten Fußballfans von Borussia Dortmund mit diesen Bannern im Stadion gegen den Einsatz von Tasern bzw. Elektroschockpistolen.
Kurz nach dem Tod eines Mannes nach einem Polizeieinsatz in Dortmund protestierten Fußballfans von Borussia Dortmund mit diesen Bannern im Stadion gegen den Einsatz von Tasern bzw. Elektroschockpistolen.

Der Polizei stehen im Streifendienst sogenannte Zwangsmittel zur Verfügung, mit denen Beamte in die Lage versetzt werden sollen, mutmaßlich gefährliche Personen unter Kontrolle zu halten, ohne von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Eines davon sind sogenannte Distanz-Elektro-Impuls-Geräte (DEIG), auch Elektroschockpistole oder Taser genannt. Sie machen Menschen bewegungsunfähig – und sind nach einhelliger Expertenmeinung eine tödliche Gefahr für Herzkranke. Seit zwei Jahren befinden sie sich bei Bundes- und Landespolizeien im Testbetrieb.

Jetzt hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) den Mitgliedern des Innenausschusses des Düsseldorfer Landtags zu deren Sitzung am Donnerstag Informationen vorgelegt, denen zufolge ein Mann, der am 19. Oktober in Dortmund-Dorstfeld nach einem Tasereinsatz verstorben war, zweifelsfrei schwer herzkrank war. Dies hatte bereits die Obduktion kurz nach dem Tod des 44-Jährigen ergeben.

In einem Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts von Dortmund vom 5. Dezember, aus dem Reul zitiert, wird jedoch darauf verwiesen, dass die Erkrankung des Mannes so schwer war, dass sie »jederzeit« zum plötzlichen Herztod habe führen können. Zudem habe der Wohnungslose laut forensisch-toxikologischem Gutachten »unter einer akuten Alkoholwirkung bei einer zusätzlichen Aufnahme von Amphetamin, Norophedrin und Salbutamol« gestanden. Auch das könne »den Eintritt des Todes begünstigt« haben.

Der abschließende Bericht zur Wirkung der von den vier am Einsatz beteiligten Polizisten gegen den Mann eingesetzten DEIG und das abschließende rechtsmedizinische Gutachten zur Todesursache stehen aber noch immer aus. Anhaltspunkte für »mögliche Dienstvergehen« der am Einsatz beteiligten Beamten hätten sich indes »bislang nicht ergeben«, so Reul.

Unterdessen ist am Mittwochabend ein Mann im hessischen Hattersheim nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray gestorben. Das hessische Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft Frankfurt teilten am Donnerstag mit, der 28-Jährige habe sich zuvor »aggressiv verhalten«. Gegen vier Polizeibeamte wird nun vom LKA wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt. Geprüft werde zudem, ob die Leiche rechtsmedizinisch untersucht wird.

Der 28-Jährige soll in einem Restaurant kollabiert sein und sich dann gegenüber der Besatzung eines Rettungswagens aggressiv verhalten haben, die ihm helfen wollte. Deswegen wurde die Polizei eingeschaltet. Nach Angaben der Ermittler leistete der Mann Widerstand, als die Beamten seine Identität feststellen wollten. Daraufhin hätten diese Pfefferspray eingesetzt.

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