Rettende Engel gegen Pflichtjahr für junge Menschen

Landesverband der Johanniter-Unfallhilfe wünscht sich eine Aufwertung des Ehrenamts

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) sollte nach Ansicht der Johanniter-Unfallhilfe nicht in ein Pflichtjahr für junge Menschen verwandelt werden, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorgeschlagen hat. Wie Vorstandsmitglied Götz-Georg von Randow am Mittwochabend beim parlamentarischen Abend des Johanniter-Landesverbands Berlin-Brandenburg weiter sagte, wäre es stattdessen hilfreich, den »unendlichen bürokratischen Aufwand« zu verringern, der mit diesem einjährigen Praktikum junger Menschen verbunden ist. Ein Freifahrtschein für die Bahn, wie ihn Bundeswehrsoldaten erhalten, und ein spezielles Bafög könnte jungen Menschen die Entscheidung leichter machen, freiwillig ein Soziales Jahr zu leisten. Bislang zahlt der Landesverband der Johanniter seinen 70 FSJ-lern ein Taschengeld aus der eigenen Kasse.

Zu den Anregungen, die an diesem Abend im Potsdamer Landtagsschloss von den Vertretern des Sozialverbandes gegenüber der Politik laut wurden, gehört auch eine stärkere Verankerung des Ehrenamtsgedankens schon im Schulunterricht. Was das Ehrenamt angeht, »erleben wir eine große Zurückhaltung«, erklärte von Randow.

Zuvor hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Johanniter als »rettende Engel« gelobt, deren Sanitäts- und Rettungsdienste seiner Ansicht nach einen wichtigen Beitrag zur Menschlichkeit in der Gesellschaft darstellen. Am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, dass die Aktivierung von Rettungsteams oft auf Schwierigkeiten stößt, weil Arbeitgeber beispielsweise im Handwerk, in der Pflege und im Gastgewerbe ihre Mitarbeiter dafür nicht so eben mal plötzlich freistellen können. Anders ist das im öffentlichen Dienst. Eine Mitarbeiterin der Johanniter sagte deshalb über die eigenen ehrenamtlichen Helfer, die im Staatsdienst beschäftigt sind: »Die sind uns die liebsten.«

Im Jahr 2020 hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) die Einführung einer Dienstpflicht für Frauen und Männer im Gesundheitswesen und im Katastrophenschutz vorgeschlagen. »Wir müssen überlegen, wie wir den Schutz der Bevölkerung zukunftsfest aufstellen«, sagte Stübgen damals der »Märkischen Allgemeinen«. CDU-Fraktionschef Jan Redmann unterstützte diese Idee. Anders reagierte der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke). »Es stimmt, wir müssen einiges tun, um unser Gesundheitswesen zu retten – aber die Lösung ist nicht, jungen Leuten ein Jahr ihres Lebens wegzunehmen«, sagte er. Eine Dienstpflicht sei keine Antwort auf die Probleme im Gesundheitswesen und in der Pflege. Fachkräfte müssten besser bezahlt werden, mit chronischer Überarbeitung müsse Schluss sein.

Im Johanniter-Landesverband sind 2350 Menschen hauptamtlich und 3450 Menschen ehrenamtlich tätig, darunter etwa 400 Jugendliche. Die Johanniter betreiben in der Hauptstadtregion 29 Rettungswachen und sind bei Großveranstaltungen mit Sanitätsgruppen vor Ort. Sie kümmern sich um die Notfallrettung und den Katastrophenschutz, haben einen Mahlzeitendienst, den Krankentransport, betreutes Wohnen und Kindertagesstätten, betreuen Flüchtlinge und Obdachlose und beraten Frauen. Die evangelische Johanniter-Unfallhilfe wurde 1952 in der Bundesrepublik gegündet. 1990 bildeten sich noch vor dem Ende der DDR die ersten Kreisverbände in Ostdeutschland. Bundesweit zählt die Hilfsorganisation heute 29 000 Beschäftigte und 46 000 Ehrenamtliche.

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