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Aussichtsloser Ausschlussversuch
Warum der Antrag gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow keinen Erfolg haben dürfte
Bodo Ramelow ist eine Ausnahmefigur in der Linken, ohne Zweifel. Die Partei befindet sich in einer tiefen Krise, schaffte bei der Bundestagswahl 2021 nur mithilfe dreier Direktmandate den Wiedereinzug und kann als eine politische Kraft, die für sozialen Ausgleich kämpft und dafür weithin bekannt ist, auch von den enormen Verwerfungen infolge des Ukraine-Krieges nicht profitieren. Zugleich führt Ramelow seit 2014 die Landesregierung in Thüringen und erreicht für sich und seinen Landesverband weiterhin vergleichsweise sehr gute Umfragewerte.
Laut aktuellen Zahlen des Portals »Wahlkreisprognose« würden 27 Prozent der Wähler*innen im Freistaat bei einer Landtagswahl ihr Kreuz bei der Linken setzen, bei einer Bundestagswahl wären es nur 8,5 Prozent. Der »Ramelow-Effekt« ist hier deutlich sichtbar. Auch eine Mehrheit der Grünen-Wähler*innen wünscht sich eine Führung der Landesregierung durch Die Linke, was bemerkenswert ist in diesen Zeiten, in denen die Außenpolitik im Fokus steht. Denn hinsichtlich der Positionierungen zum Ukraine-Krieg, zu Waffenlieferungen und zur Nato liegen diese beiden Parteien nicht selten über Kreuz. Auch Ramelow zeigt sich als Nato-Kritiker, wenn er etwa angesichts der türkischen Angriffe auf Rojava dem Bündnis jegliches »Wertefundament« abspricht. Trotzdem kann er auch etliche SPD- und sogar einige CDU-Wähler*innen von sich überzeugen. Fakt ist: Der Ministerpräsident hat sich über Milieugrenzen hinweg hohes Ansehen erarbeitet.
Doch ebenjener Ramelow soll nun aus der Linken ausgeschlossen werden – zumindest wenn es nach dem Willen von zwei Parteimitgliedern aus Sachsen geht. Die haben nämlich einen Ausschlussantrag gestellt, über den der »Spiegel« zuerst berichtete. Ein entsprechendes Schreiben sei bei der Schiedskommission der Linken in Thüringen eingegangen. Die zwei namentlich nicht genannten Genoss*innen beklagten demnach Ramelows Haltung zum Krieg in der Ukraine: Sie seien vom Glauben an den »›Genossen‹ Ramelow nun vollständig abgefallen«. Der Ministerpräsident hatte sich für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und sich damit auch gegen einen Beschluss des Erfurter Parteitags gestellt. Darin heißt es: »Rüstungsexporte und Waffenlieferungen lehnen wir vollständig ab, insbesondere in Krisen- und Kriegsgebiete.« Ko-Parteichef Martin Schirdewan sagte, mit seiner Haltung vertrete Ramelow »nicht die Position der Partei, wir machen Alternativen zur militärischen Logik stark«.
Auch in einem vom Parteivorstand am vergangenen Samstag beschlossenen Friedensplan verurteilt Die Linke »den verbrecherischen Charakter des Putin-Regimes« und fordert zugleich eine Deeskalationsstrategie und Waffenstillstandsverhandlungen: »Um das zu unterstreichen«, solle die Bundesregierung Waffenlieferungen in die Ukraine unterlassen. Zur Begründung heißt es, dass eine vollständige militärische Niederlage Russlands weder kurz- noch mittelfristig zu erwarten sei. Auch an dieser Stelle sind Differenzen zur Position Bodo Ramelows wahrzunehmen.
Den beiden Antragsteller*innen reicht bloßes Zurechtweisen nicht aus, sie fordern den Ausschluss: Ramelow nehme die Vernichtung der Menschheit in einem nuklearen Inferno in Kauf. Er sei aus der Partei auszuschließen, »denn mit seinem Auftreten spaltet er unsere Partei noch mehr und gefährdet deren Existenz«, werden sie im »Spiegel« zitiert. Der Angeklagte nahm’s gelassen: »Mich erreichen Nachrichten aus Sachsen. Irgendwas mit USA, US-Aggression, Korea-Krieg und russischen Sicherheitsinteressen. Leider kein Wort über den Befehlshaber Putin, der die Ukraine überfallen hat«, schrieb er in einem Tweet und bebilderte diesen mit einem umfallenden Sack Reis.
Tatsächlich ein treffliches Symbol, denn viel Erfolg werden die Antragsteller*innen nicht haben. Laut Satzung der Linken ist der Ausschluss eines Parteimitglieds nur möglich, wenn das Mitglied der Partei schweren Schaden zufügt, und den muss man erst einmal nachweisen. Wie hoch die Hürden sind, ist im Fall des Ausschlussantrags gegen Sahra Wagenknecht deutlich geworden: Die Antragsteller*innen argumentierten, mit der Veröffentlichung ihres Buches »Die Selbstgerechten« habe die umstrittene Bundestagsabgeordnete der Partei geschadet. In dem Bestseller hatte Wagenknecht ein eigenes Gegenprogramm zu den von ihr so bezeichneten »Lifestyle-Linken« entworfen. Außerdem hatten sie und ihr Ehemann Oskar Lafontaine vor der Bundestagswahl 2021 dazu aufgerufen, Die Linke im Saarland nicht zu wählen. Doch die Landesschiedskommission in Nordrhein-Westfalen lehnte den Antrag, Wagenknecht rauszuwerfen, einstimmig ab. Welchen Schaden also will man nun im Falle von Bodo Ramelow erkennen?
Etwas anders gelagert könnte das Ausschlussverfahren gegen Diether Dehm sein. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete gehört zu jenen, die im Zusammenhang mit Gerüchten um eine mögliche Abspaltung des Wagenknecht-Lagers immer wieder genannt werden. Mehr noch: Dehm hatte auf dem Pressefest der DKP-Zeitung »Unsere Zeit« gefordert, dem »Abbruchunternehmen« im Karl-Liebknecht-Haus müsse bei der Europawahl 2024 eine eigene Kraft entgegentreten. Damit habe er gegen die Parteisatzung verstoßen, heißt es im Ausschlussantrag der Vorstandsmitglieder Ates Gürpınar und Kerstin Eisenreich. Zu den Pflichten von Mitgliedern gehöre es, bei Wahlen nicht konkurrierend zur Partei anzutreten. Zum Vergleich: Dass Ramelow ein solches Konkurrenzprojekt erschaffen will, ist nicht zu erwarten.
Auch die Parteioberen stehen, trotz teils anderer Meinung in puncto Waffenlieferungen, hinter dem Thüringer Regierungschef. »Uns ist bekannt, dass es diesen Antrag gibt. Solche Anträge gibt es immer mal wieder, das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte Bundesgeschäftsführer Tobias Bank im Gespräch mit »nd«: »Unter diesem Antrag steht nicht mal ein Kreisverband und keine Gliederung. Die zuständige Schiedskommission wird nun entscheiden, und das bedarf keines weiteren Kommentars.« Ramelow sagte »nd«, es sei »vollkommen unklar, was mir die beiden Personen konkret vorwerfen. An einigen Stellen klingt das Schreiben wie eine Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges.« Kritik an seiner Position zu Waffenlieferungen an die Ukraine könne man haben, »aber man darf auch nicht übersehen, wer den Krieg begonnen hat«. Der Ministerpräsident, der bei der Landtagswahl 2024 noch einmal antreten und in seine dritte Amtszeit steuern will, sieht dem Verfahren »mit Gelassenheit entgegen«.
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