Inhaftiert im Urlaubsparadies

Clara Bünger über die Realität Geflüchteter auf griechischen Insel Kos

  • Clara Bünger
  • Lesedauer: 3 Min.
In Gelüchteten-Lagern wie auf der Insel Kos herrschten meist menschenunwürdige Zustände.
In Gelüchteten-Lagern wie auf der Insel Kos herrschten meist menschenunwürdige Zustände.

Kos ist bekannt für seine langen Sandstrände und Thermalquellen. In dem kleinen Dorf Pyli im Zentrum der Insel leben davon fernab und strategisch gut versteckt fast 1000 Geflüchtete in einem haftähnlichen Lager. Der Name »Closed Controlled Access Center Kos« spricht für sich. Im Dezember konnte ich im Rahmen einer Delegationsreise ins Innere dieses Lagers schauen.

Auf Kos befindet sich einer der fünf sogenannten griechischen Hotspots in der Ägäis, weitere »Hotspot-Inseln« sind Lesbos, Leros, Samos und Chios. Kommen Geflüchtete auf diesen Inseln an, dürfen sie diese bis zum Abschluss des Asylverfahrens nicht verlassen. Während dieser Zeit müssen sie eingepfercht in menschenunwürdigen Zuständen in Lagern leben. Seit dem EU-Türkei Deal von März 2016 verschlechterte sich die Situation der Geflüchteten in den »Hotspots« extrem: Systematische Inhaftierung, überfüllte Lager und unfaire Schnellverfahren auf den Inseln, meist ohne Prüfung der Asylgründe, sind die Folgen.

In Reaktion auf den Brand im Lager Moria auf Lesbos im September 2020 machten die EU-Kommission und Griechenland ein Versprechen: Keine überfüllten und improvisierten Geflüchtetenlager in den Hotspots mehr, stattdessen verbesserte Lebensbedingungen und ein sicheres Umfeld für Schutzsuchende. Die Realität sieht aber gänzlich anders aus: Geflüchtete werden wie im Hochsicherheitstrakt untergebracht. Das auf Kos Ende 2021 eingeweihte und für ca. 40 Millionen Euro EU-finanzierte »Closed Controlled Access Center« (CCAC) beinhaltet neben den allgemeinen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzsuchende auch das »Pre-Removal Detention Center« (PRDC). Es ist zurzeit das einzige Haftzentrum für abzuschiebende Geflüchtete auf den Inseln der Ost-Ägäis. Im CCAC können insgesamt über 2000 Personen untergebracht werden. Eine angemessene medizinische Versorgung, regelmäßige Freizeitangebote, grüne Flächen, schattenspendende Orte oder Aufenthaltsgelegenheiten gibt es auf dem Gelände nicht. Dafür sind dort die regionale Asylbehörde, die griechische Polizei und Frontex mit Büros vertreten.

Bis vor Kurzem wurden noch alle auf Kos ankommenden Schutzsuchenden pauschal inhaftiert – auch Kinder, Familien und vulnerable Personen, wie zum Beispiel schwangere Frauen oder Opfer von sexualisierter Gewalt. Der Großteil der nunmehr Inhaftierten befindet sich aufgrund einer zweiten Ablehnung des Asylantrags in dem Haftzentrum. Hauptgrund der Ablehnungen ist das zunächst durch den EU-Türkei-Deal zur Anwendung kommende System des »sicheren Drittstaats«. Griechenland hat in dessen Ausweitung im Juni 2021 nunmehr pauschal für alle Schutzsuchende aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Pakistan und Bangladesch die Türkei als »sicheren Drittstaat« erklärt. Daher werden deren Asylanträge stets als unzulässig abgelehnt, sodass die Abschiebung droht. Da jedoch seit März 2020 Abschiebungen aus Griechenland in die Türkei ausgesetzt sind, hängen die Geflüchteten in einem monatelangen rechtlichen und tatsächlichen Limbo. Eine eklatant unrechtmäßige Praxis, denn: Ist eine Abschiebung in den »sicheren Drittstaat« nicht möglich, verlangt die EU-Asylverfahrensrichtlinie, dass Zugang zum Asylverfahren gewährt und Asylanträge inhaltlich zu prüfen sind. Die EU-Kommission hat Kenntnis von diesen Umständen, sie war auch bei unserem Besuch unangemeldet bei dem Treffen im Haftlager vertreten. Eigentlich müsste die EU-Kommission hier tätig werden und Griechenland zur Einhaltung von EU-Recht auffordern.

Das Versprechen der EU-Kommission: »No more Morias«, also keine unmenschlichen Lager mehr, wäre ein erster richtiger Schritt gewesen. Die EU ist aber schon vor längerer Zeit falsch abgebogen, als es darum ging, EU- und Menschenrechte bei der Aufnahme von Schutzsuchenden einzuhalten. Das Lagersystem, die Schaffung von rechtsfreien Räumen und fortwährend durchgeführte Pushbacks an den EU-Außengrenzen werden das Leid der Schutzsuchenden nie beenden. Sie werden aber auch nicht dazu führen, dass weniger Menschen versuchen werden, die EU zu erreichen. Es wird nur zu noch mehr Toten und einer Manifestation der Menschenrechtsverletzungen führen. Stattdessen müssen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte Maßstab politischen und staatlichen Handelns werden.

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