Regierung erschwert Seenotrettung

Neue Auflagen und drakonische Strafen für Schiffe von Rettungsorganisationen beschlossen

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 4 Min.
Geflüchtete verlassen ein Schiff im Hafen von Salerno.
Geflüchtete verlassen ein Schiff im Hafen von Salerno.

Vor den Wahlen im September hatte die rechtsextreme Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Seeblockade rund um die italienische Halbinsel angekündigt. So wollte sie die Seenotrettung von Migrant*innen im Mittelmeer unterbinden. Obwohl offensichtlich war, dass dieses Vorhaben praktisch unmöglich sein und gegen die italienischen wie die europäischen Gesetze verstoßen würde, hielt sie trotzdem daran fest. Jetzt, nach fast drei Monaten im Amt, scheint auch der Regierung klar geworden zu sein, dass eine solche Blockade nicht praktikabel ist. Dennoch will Meloni mit allen Mitteln verhindern, dass Flüchtlinge aus Afrika und Asien das Mittelmeer überqueren und Italien erreichen. Vor wenigen Tagen wurde ein Gesetz verabschiedet, das genau dieses Ziel verfolgt.

Wenn die Rechte über »die Migranten« spricht, meint sie die Personen, die von den Schiffen der Nichtregierungsorganisationen ins Land gebracht werden. Tatsächlich sind das aber nur 14,1 Prozent der Menschen, die übers Mittelmeer flüchten. Der größte Teil kommt in eigenen kleinen Booten an Land, wird von der italienischen Küstenwache abgefangen oder von Handelsschiffen an Bord genommen. Letztere nehmen immer häufiger auch größere Umwege in Kauf, um nicht auf Schiffbrüchige zu stoßen. Insgesamt kamen so 2022 rund 100 000 Menschen über den Seeweg ins Land.

Nun habe die Regierung »unterlassene Hilfeleistung zum Gesetz erhoben«, so Stefano Galieni, Verantwortlicher für Migration bei der Europäischen Linken. Tatsächlich wird den Rettungsschiffen der Nichtregierungsorganisationen untersagt, mehr als eine Rettung pro Fahrt vorzunehmen. Wenn also zum Beispiel nahe der libyschen Küste 50 Personen aus einem sinkenden Schlauchboot gerettet würden und das Schiff dann auf dem Weg zum zugewiesenen Hafen auf ein anderes Boot in Seenot träfe, müsste der zweite Notruf ignoriert werden.

Zudem liegen die Häfen, die den Rettungsschiffen zugewiesen wurden, meist in Mittel- oder Norditalien, so zum Beispiel Ravenna und Livorno. »Das ist so«, meint Galieni, »als müsste ein Krankenwagen bei jedem Einsatz mit einem Schwerverletzten an Bord Krankenhäuser ansteuern, die Hunderte von Kilometern entfernt liegen.« Was das für die Schiffbrüchigen bedeutet, kann man sich vorstellen. Auch würden die Schiffe so sehr viel mehr Sprit verbrauchen und es würden jedes Mal Tage, wenn nicht Wochen vergehen, bevor die Retter wieder dort wären, wo sich Menschen in Not befinden.

Auch soll das Personal an Bord der Rettungsschiffe jedem einzelnen Migranten »nahelegen«, dass er seinen Asylantrag gleich an Bord stellen kann – für das Land, unter dessen Flagge das jeweilige Schiff fährt. Derzeit sind dies vor allem Deutschland und Norwegen. Es gibt aber auch Rettungsboote, die in Bangladesch registriert sind. Wie dieses »Nahelegen« konkret ablaufen soll, erklärt das neue Gesetz nicht.

Was mit all diesen Maßnahmen bezweckt wird, ist offensichtlich: Einerseits will man weniger Migranten in Italien aufnehmen, andererseits den Schiffen der Nichtregierungsorganisationen ihre humanitäre Arbeit möglichst erschweren. Die Gründe hierfür sind sowohl praktisch als auch propagandistisch. In der Vergangenheit hat die italienische Rechte die Rettungsschiffe oft als »Taxis der Meere« und als »Pull-Faktoren« bezeichnet. Damit soll der Eindruck geschaffen werden, dass die Menschen, die zum Beispiel vom Horn Afrikas oder aus Libyen über das Mittelmeer flüchten, dies nicht tun, weil sie verzweifelt sind und Hungersnöten, Kriegen oder Verfolgung entkommen wollen. Stattdessen wüssten sie, dass sie aus Seenot gerettet würden und so einfach nach Europa gelangen können. Dass dies schlichtweg falsch ist, haben unzählige Untersuchungen, auch seitens der Vereinten Nationen, erwiesen. Die Flucht übers Mittelmeer bleibt riskant, immer wieder ertrinken Menschen dabei. Dieses Jahr liegt die Zahl der Toten, die amtlich bestätigt wurde, bei knapp 2 000. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann niemand sagen.

Die Strafen, die das neue Gesetz vorsieht, sind absurd. Beim ersten Übertreten der Vorschriften wird eine Geldstrafe fällig, die zwischen 10 000 und 50 000 Euro liegt. Diese entfällt sowohl auf den Kapitän wie auf den Reeder des Schiffes. Außerdem wird das Boot sofort für zwei Monate stillgelegt. Sollte das gleiche Schiff die Vorschriften noch einmal missachten, wird es kurzerhand konfisziert.

Verschiedene Organisationen haben bereits angekündigt, dass sie die neuen Vorgaben vor dem italienischen Verfassungsgericht anfechten wollen. Wie viele Menschen bis dahin im Mittelmeer ertrinken werden, wagt man sich nicht auszumalen.

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