- Kommentare
- Energiearmut
Was soll das Misstrauen?
Die Bedingungen für den Berliner Härtefallfonds genügen, findet Louisa Theresa Braun
Bei der Vorstellung des Härtefallfonds Energieschulden drehten sich die meisten Fragen darum, ob dieser nicht ausgenutzt werden könnte: Wenn gar nicht kontrolliert werde, ob ein Haushalt sich seine Energierechnung leisten kann oder nicht, und er diese womöglich mit Absicht nicht bezahlt habe, würden die Berliner*innen ihr Geld dann nicht reihenweise für andere Dinge ausgeben und die Strom- oder Gaskosten ganz bequem an den Senat delegieren?
Woher kommt dieses Misstrauen? Natürlich ist die menschenverachtende Einstellung, Menschen würden dem Staat mit Absicht »auf der Tasche liegen« und nicht aus Not, weit verbreitet. Umso besser, dass der Berliner Senat die Übernahme von Energieschulden an nur wenige Bedingungen geknüpft hat. Es ist ja nicht so, dass es gar keine gäbe. Die Eigenerklärung ist strafrechtlich relevant, und falls ein Betrug auffällt, hätte das durchaus Konsequenzen.
Die viel wichtigere Voraussetzung ist aber: Es muss eine Energiesperre angekündigt oder bereits durchgesetzt worden sein. Wer behauptet, das würde jemand riskieren, nur um mit dem Geld shoppen zu gehen, hat wohl keine Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn der Strom abgestellt wird: kein Licht, keine elektrischen Geräte, also kein Kühlschrank, keine Waschmaschine, kein Computer. Wer keinen Strom hat, kann praktisch nicht mehr am Leben teilnehmen. Und wenn die Heizung mitten im Winter nicht mehr läuft, ist das gerade für Kinder und Vorerkrankte gesundheitsgefährdend.
Insofern ist es richtig, dass die schnelle Begleichung von Energieschulden absolute Priorität hat – und nicht die zeitaufwendige Kontrolle, dass ja keinem Haushalt zu viel geholfen wurde. Wovon der Senat wohl ohnehin kaum etwas hätte. Schon für den Härtefallfonds in seiner jetzigen Form wurden 15 zusätzliche Mitarbeitende eingestellt, und für zusätzliche Vermögensprüfungen müsste wahrscheinlich noch mehr Personal bezahlt werden. Da scheint es für alle Beteiligten von Vorteil, wenn das Geld gleich für die Energiekosten aufgebracht wird.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.