Kurs auf Vollbeschäftigung – mit Gegenwind

Erhebliche Unsicherheiten für den Arbeitsmarkt der Hauptstadt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

»Trotz Energiekrise, hoher Inflation und Lieferkettenschwierigkeiten lief die Wirtschaft im vergangenen Jahr in großen Schritten Richtung Vollbeschäftigung«, urteilt am Dienstag Sebastian Stietzel, Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Bundesweit seien seit der Wiedervereinigung 1990 noch nie so viele Menschen einer Beschäftigung nachgegangen wie im vergangenen Jahr – und die Hauptstadt habe bei dem positiven Trend stets auf Platz eins gelegen. Es sei aber unklar, ob dies 2023 anhält. Denn viele Unternehmen hätten wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten bereits zum Jahresende von Neueinstellungen abgesehen. In anderen Sparten wiederum finden Betriebe das benötigte Personal nicht.

Diese Problem werde sich durch den demografischen Wandel noch verschärfen. Deshalb ist es nach Ansicht des IHK-Präsidenten Zeit für einen Bewusstseinswandel in der Politik: »Fachkräftesicherung ist nicht allein Sache der Wirtschaft«, meint er – und lehnt fast im gleichen Atemzug eine Ausbildungsplatzumlage für Unternehmen ab, die keine Lehrlinge haben, weil Zwangsabgaben angeblich keine Ausbildungsplätze schaffen.

Arbeitsmarktdaten
  • In Berlin waren im Dezember 75 050 Einwohner als arbeitslos registriert. Das waren 541 weniger als im November und 4241 weniger als vor einem Jahr.
  • Bei Arbeitsagenturen und Jobcentern in der Hauptstadt waren im Dezember 18 930 freie Stellen gemeldet und damit 2894 weniger als im Dezember 2021.
  • In Brandenburg sind 75 733 Einwohner als Erwerbslose registriert. Das sind 1274 mehr als im November und 3970 mehr als vor einem Jahr. Freie Stellen gibt es 25 759 und damit 247 mehr als vor einem Jahr.
  • 10 960 Berliner und 3937 Brandenburger nahmen im Dezember an beruflichen Bildungsmaßnahmen teil.
  • 1,67 Millionen Berliner sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt und 896 000 Brandenburger. Das sind in der Hauptstadt 3,6 Prozent mehr als vor einem Jahr, im Land Brandenburg 1,7 Prozent mehr. af

    Dagegen fordert DGB-Landesbezirkschefin Katja Karger genau diese Umlage. Denn: »Die Hauptstadt ist bundesweit Bummelletzter in Sachen Ausbildung. Es geht nicht an, dass Unternehmen Fachkräftemangel beklagen, selbst aber nicht ausbilden und sich stattdessen bei der Konkurrenz, die in junge Fachkräfte investiert, unter den Besten bedienen.« Beim Stichwort Aus- und Weiterbildung denkt Karger an Langzeitarbeitslose, denen die Arbeitsagentur stärker als bisher das Nachholen von Abschlüssen ermöglichen soll. Denn zwei von drei Berlinern und jeder zweite Brandenburger, die schon länger als zwei Jahre ohne Job sind, haben Karger zufolge keinen Beruf erlernt.

    Nach Einschätzung von Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zeigt sich Brandenburgs Arbeitsmarkt trotz aller Unsicherheiten »insgesamt robust«. Allerdings ist die Arbeitslosenquote im Bundesland im Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent gestiegen. In Berlin sank die Arbeitslosenquote im selben Zeitraum um 0,2 Punkte auf 8,6 Prozent. Für Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, ist das »eine hervorragende Nachricht«. Es hätte angesichts des Gegenwinds auch anders kommen können.

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