Alles Berliner Kinder

Senat will stärkere Polizei und schnelle Strafen nach Attacken auf Einsatzkräfte

»Bei Wind und Wetter ist die Fahrradstaffel unterwegs«, scherzt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, als sie am Mittwochvormittag bei Regen vor die Kameras der Presse tritt. Begleitet wird die SPD-Politikerin von einem halben Dutzend Polizist*innen im neongelben Fahrraddress und Innensenatorin Iris Spranger. Zusammen mit ihrer Parteikollegin hat sich Giffey über die tägliche Arbeit der Berliner Fahrradstreifen informiert.

Der Dienststellenbesuch beim Polizeiabschnitt 34 in Rummelsburg, der für den südlichen Teil Lichtenbergs zuständig ist, sei schon länger geplant gewesen, heißt es. Seit 2014 sind Fahrradstreifen in der Hauptstadt unterwegs, vom Rummelsburger Revier aus seit 2021. Ihre Aufgabe ist es, das Verhalten von, aber auch gegenüber Fahrradfahrer*innen zu kontrollieren. »Wir haben jetzt einen neuen Weg der Hauptstadtpolizei eingeschlagen«, sagt Giffey. Die Fahrradstreifen seien nahbar und gut ansprechbar, sie präsentierten sich sehr wirksam für die Verkehrssicherheit der Stadt. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, die Zahl der Beamt*innen auf Rädern in der laufenden Legislaturperiode zu verdreifachen. Für den Doppelhaushalt 2022/2023 seien 50 neue Stellen festgeschrieben.

Gerade nach den Vorfällen der Silversternacht, in der Einsatzkräfte in Hinterhalte gelockt, mit Pyrotechnik beschossen und verletzt wurden, steht die Ausrüstung der Polizei im Fokus. Wie schon im vergangenen Jahr angekündigt, soll in die Anschaffung von Bodycams investiert werden. Von deren bloßer Anwesenheit erhoffen sich Giffey und Spranger eine deeskalierende Wirkung und Hilfe bei der Verfolgung von Straftaten.

»Ich werde die Anschaffungen zügig machen«, verspricht Spranger, die sich nach den Vorfällen zu Silvester bei der Innenministerkonferenz auch für eine Änderung des Waffengesetzes stark machen will. Besonders Schreckschusswaffen stehen nach den Gewaltausbrüchen zur Diskussion. Für Spranger steht fest: »Es ist nicht nur ein Berliner Problem« – auch wenn sich alles nach der Silvesternacht auf die Hauptstadt konzentriere.

Scharfe Kritik an der Berliner Landespolitik kommt am Mittwoch jedoch aus dem Süden der Bundesrepublik. »Berlin ist einfach nicht richtig sicher«, stichelt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei einem Termin auf der Zugspitze. Vor einem Berlin, das nicht einmal in der Lage zu sein scheine, seine eigenen Wahlen zu organisieren, könne man keinen Respekt haben. »Die Polizei hat einfach zu wenig Rückendeckung in Berlin. Die Politik steht nicht hinter der Polizei. In Berlin gibt es zu wenig Geld für die Polizei, zu wenig Unterstützung.« In anderen Städten – etwa in Bayern – könne so etwas nicht passieren, ist sich Söder sicher.

Vorwürfe wie diese weist Berlins Innensenatorin entschieden zurück. »Berlin ist kein rechtsfreier Raum«, sagt Spranger. Genügend Einsatzkräfte hätten versucht, die Stadt im Griff zu halten. Giffey wiederum sichert den Beamt*innen »absolute, bedingungslose Solidarität und Rückendeckung« zu, verweist auf die angekündigte Aufstockungsoffensive bei der Polizei. Zudem kündigt die Regierende Bürgermeisterin eine schnelle Reaktion auf die »massive Respektlosigkeit und Brutalität« der Silvesternacht an. Erkennungsdienstliche Feststellungen seien bereits vorgenommen worden.

»Es sind Jugendgruppen, die eine Eigendynamik entwickelt haben, ganz klar«, führt Giffey aus. Eine große Rolle spielten die sozialen Medien: »Man pusht sich gegenseitig hoch, spornt sich gegenseitig an.« Nun will die SPD-Politikerin Ursachenforschung betreiben: Am kommenden Dienstag soll der Senat ein Maßnahmenpaket präsentieren, das sich an der Lageberichterstattung der Berliner Einsatzkräfte orientiert.

Einen Tag später lädt Giffey zu einem Gipfel zur Jugendgewalt im Roten Rathaus, unter anderem mit Integrationsbeauftragten und Bezirksbürgermeister*innen. »Wir werden die Praktiker hören«, sagt Giffey, die mit Blick auf die sozialen Brennpunkte der Stadt von einer »Daueraufgabe« spricht. Die Politik werde hinsehen und investieren, kulturelle Herkunft hin oder her: »Das sind doch fast alles Berliner Kinder.«

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