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Regieren gegen eine starke Rechte

Brasiliens neuer Präsident Lula da Silva wird für seine Pläne hart um Mehrheiten kämpfen müssen

  • Niklas Franzen, Brasília
  • Lesedauer: 5 Min.

Kurz nachdem Luiz Inácio »Lula« da Silva offiziell im Parlament vereidigt wurde, läuft er die Rampe zum Präsidentenpalast hoch. An seiner Seite sind mehrere Menschen. Normalerweise überreicht dort der Amtsvorgänger die traditionelle Präsidentenschärpe an seinen Nachfolger. Doch an diesem Neujahrstag ist es anders: Ausgewählte Bürger*innen überreichen die Schärpe. Eine indigene Aktivistin, ein Vorstadtjunge, eine schwarze Müllsammlerin, ein behinderter Mann. Die Message ist klar: Nach vier Jahren Präsidentschaft des Rechtsextremen Jair Bolsonaro weht jetzt ein anderer Wind in Brasilien.

Hunderttausende waren gekommen, um die Amtseinführung im futuristischen Regierungsviertel der Hauptstadt zu verfolgen. Buskarawanen aus dem ganzen Land machten sich auf den Weg nach Brasília. Die Zeremonie wurde zu einer riesigen Party. Bei vielen der Feiernden ist die Erleichterung über den Regierungswechsel groß.

Am 30. Oktober 2022 hatte Lula die Stichwahl gegen Bolsonaro gewonnen. Es war eine hart umkämpfte Wahl, denn im Land stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Bolsonaro hat tiefe Spuren hinterlassen und in den letzten vier Jahren viel Unmut auf sich gezogen. Sein schulterzuckender Umgang stürzte das Land ins Corona-Chaos, wegen seiner Kahlschlagpolitik im Regenwald gilt Brasilien als Paria im Ausland, der Hunger ist zurück. Die diesjährige Wahl war deshalb vor allem eins: eine Abwahl Bolsonaros.

Lula, der bereits für zwei Amtszeiten Präsident Brasiliens war und bei vielen die Sehnsucht nach besseren Zeiten weckt, machte einen selbstbewussten Wahlkampf. Der 77-Jährige mit der Kratzstimme erklärte, das tief gespaltene Land zu einen, die Bekämpfung der Armut zur Chefsache zu machen und die illegale Abholzung zu beenden. Es waren große Töne des ehemaligen Gewerkschaftsführers.

Erste Entscheidungen

Und Lula legte stark los. An seinem ersten Tag als Präsident unterzeichnete er mehrere Dekrete, unter anderem zur Bekämpfung des illegalen Bergbaus und zur Wiedereinführung des Amazonas-Schutzfonds, für strengere Waffengesetze und gegen die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Die große Frage wird sein, ob Lula seine ambitionierten Pläne auch umsetzen kann. Trotz seines Wahlsieges bleibt die Rechte in Brasilien stark. Bolsonaros Partei stellt die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus, die drei größten Bundesstaaten werden von Gefolgsleuten des Ex-Präsidenten regiert. Lula wird hart um Mehrheiten kämpfen müssen. Und bei Teilen der Gesellschaft schlägt ihm heftige Ablehnung entgegen. Seine Partei gilt vielen als Inbegriff für Korruption und Misswirtschaft.

Das ist Lula bewusst. Um an die Spitze des größten Landes Lateinamerikas zurückzukehren, schmiedete der alte Fuchs ein breites Bündnis, auch mit konservativen Kräften. Dass deutlich mehr Themen Platz auf der Agenda der Regierung finden sollen, wurde schnell spürbar. Lula stockte die Ministerien deutlich auf: von 23 auf 37. Von den 37 Ministerien werden neun von seinen bürgerlichen Partnern übernommen. Lula wird auch nicht am einflussreichen Agrobusiness, dem Finanzkapital und den mächtigen Pfingstkirchen vorbeiregieren können.

Zwar leiten Frauen nun so viele Ministerien wie nie zuvor, stellen aber trotzdem noch nicht mal ein Drittel der Ministerriege. Auf Schlüsselposten setzte Lula Gefolgsleute ein, viele mit einem dezidiert linken Profil. Finanzminister ist Fernando Haddad, Politiker von Lulas Arbeiterpartei (PT) und ehemaliger Bürgermeister der Megametropole São Paulo. Anielle Franco, Aktivistin und Schwester der ermordeten Stadträtin Marielle Franco, leitet das Ministerium für »igualdade racial« (Antirassismus). Minister für Menschenrechte ist der schwarze Intellektuelle Silvio Almeida. Und das neugeschaffene Ministerium der indigenen Völker leitet die prominente indigene Aktivistin Sônia Guajajara.

Viel war im Vorfeld der Amtseinführung des neuen Präsidenten über die Sicherheitslage diskutiert worden. Wenige Tage vor dem Großereignis verhaftete die Polizei einen Mann, der Bombenanschläge geplant hatte. Und in sozialen Medien verkündeten Bolsonaro-Fans, die Amtseinführung stören zu wollen. Doch am Ende blieb, bis auf einige Ausnahmen, alles friedlich.

Angst vor der Justiz

Bolsonaro hat trotz der Wahlniederlage eine treue Basis hinter sich. Seine Unterstützer*innen gehen seit Wochen auf die Straße, um gegen die »geraubte Wahl« zu demonstrieren und nach dem Militär zu rufen. Viele wollen Widerstand gegen die neue Regierung leisten – komme, was wolle. Eine Videobotschaft ihres Idols sorgte allerdings für große Enttäuschung: Dort äußerte Bolsonaro zaghafte Kritik an den Protesten seiner Fans, stand erstmals seine Wahlniederlage ein. Aber dann sagte er noch, ganz in typischer Bolsonaro-Manier: »Wir haben eine Schlacht verloren, aber wir werden den Krieg nicht verlieren.«

Doch erst einmal hat sich Bolsonaro abgesetzt. Am 30. Dezember hob eine Militärmaschine aus Brasília ab, an Bord befand sich der rechte Rüpel. Einen Tag später wurde er in Florida gesichtet, als er, umringt von Fans, Fast-Food in sich hineinstopfte. Über die Gründe der Ausreise wird wild spekuliert. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich Bolsonaro einer Strafverfolgung entziehen will. Gegen ihn laufen mehrere Ermittlungsverfahren. Laut Presseberichten könnte schon bald ein Haftbefehl ausgestellt werden. Außerdem: Lula will Akten über Bolsonaro und seine Familie, die vom Ex-Präsidenten für 100 Jahre unter Verschluss gestellt wurden, per Gerichtsanordnung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Sollte das passieren, könnte es für Bolsonaro ungemütlich werden.

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