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- Machtkampf US-Republikaner
Zugeständnisse an rechte Rebellen
Republikaner Kevin McCarthy musste sich Spitzenposten im US-Repräsentantenhaus teuer erkaufen
In den frühen Morgenstunden am Samstag wurde Kevin McCarthy doch noch von seinen Parteikollegen zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses gewählt. Nachdem ihn 20 rechtsgerichtete, parteiinterne Kritiker vor den Augen der Öffentlichkeit tagelang immer wieder durchfallen ließen, lenkten nach Zugeständnissen von McCarthy beim 13. Durchgang zunächst 14 Kontrahenten ein. In der 15. Runde enthielten sich dann die letzten sechs, sodass der Republikaner die Mehrheit der Abgeordnetenstimmen erhalten konnte.
Der hart errungene Erfolg hat gleich mehrere Väter: McCarthy selber, der die dünne Mehrheit für die Republikaner in der Novemberwahl durch vehementes Geldauftreiben sicherte und trotz Demütigungen nie einen ernsthaften Gegenkandidaten fürchten musste. Auch Ex-Präsident Donald Trump wollte gesiegt haben, da er am zweiten Tag der Rebellion seine Anhänger unter den Rebellen zur Umkehr aufrief. Auch maß er seinen persönlichen Anrufen bei den McCarthy-Verweigerern nach der vorletzten Runde große Wichtigkeit bei. Der ehemalige Sprecher des Hauses, Newt Gingrich, wollte auch Pate stehen: als Erfinder des erbitterten Kampfstils der modernen Republikaner. Gingrich meint, dass der eifrige Kampf zur Demokratie gehört und dass seine Partei nun gestärkt daraus hervorgeht. Die Kameras vom Parlamentsfernsehen C-Spann wurden zu seiner Amtszeit in den 90er Jahren eingeführt und schon damals wusste Gingrich, wie man die Fernsehübertragungen nutzen kann. Nancy Pelosi, die Vorgängerin McCarthys, findet dagegen, dass die Hinterzimmer-Deals und Kompromisse, die McCarthys Sieg erst ermöglichten, auf eine gefährlich »geschrumpfte« Sprecher-Rolle hinweisen.
Von diesen von McCarthy verhandelten Kompromissen hängt nun viel ab. Denn der Aufstand von 20 Abgeordneten war nicht nur ein leeres Spektakel für die von diesen jungen Abgeordneten stark gepflegten Sozialen Medien, wie manche Kritiker behaupten. Die rechten Abgeordneten wollten mehr Rechte für einzelne Parlamentarier erzwingen, um den Sprecher selbst zu beeinflussen. Damit hoffen sie auf das Ende einer Ära äußerst straffer Führung unter Politikern wie Newt Gingrich und Nancy Pelosi, als einzelne Abgeordnete oder selbst Gruppen kaum eine Rolle gespielt haben. Mehr Macht in den Ausschüssen wurde auch für ihre rechte Fraktion beansprucht.
McCarthy soll den Rebellen eine Verringerung des Verteidigungshaushalts um bis zu 75 Milliarden Dollar jährlich versprochen haben, berichtete Bloomberg. Bereits im Oktober erklärte McCarthy, dass unter seiner Führung der »Blankoscheck« für die Ukraine passé sein würde. Im November ermittelte eine Umfrage des »Wall Street Journals«, dass 48 Prozent der Republikaner die Ukraine-Hilfe von rund 100 Milliarden Dollar für übertrieben hielten. Der texanische Abgeordnete von Texas, Chip Roy, argumentierte kürzlich, dass die von seinen Parteigängern erstrebten Verfahrensänderungen vor allem eine stärkere Debatte über die Ukraine-Hilfe bringen sollten: Die 45 Milliarden Dollar, die im Dezember vom Kongress verabschiedet wurden, seien nicht annähernd genügend debattiert worden.
Pikanterweise kam es am späten Freitagabend fast zu einer physischen Auseinandersetzung, als Mike Rogers aus Alabama auf Matt Gaetz aus Florida losging und von einem Kollegen zurückgehalten werden musste. Rogers war bisher der erwartete Chef des mächtigen Verteidigungsausschusses. Matt Gaetz, Führungsfigur der Rebellen, hat in seinen Verhandlungen mit McCarthy nun Anspruch auf genau diesen Posten erhoben. Am Freitag fielen die Aktien der Waffenhersteller Northrop Grumman und Lockheed Martin jeweils um ein Prozent.
Die Wähler der Repulikaner sind mit jeder Wahl immer »bildungsferner«. Gebildete Wähler wählen immer öfter demokratisch. Sie pochen nun auch auf die Stabilität der Rituale, die den US-Amerikanern so viel bedeuten. Als Newt Gingrich Sprecher wurde, war es das erste Mal seit 42 Jahren, dass ein Republikaner dieses Amt innehatte, mit Gingrich begann die Selbstinszenierung der Republikaner als Rebellen in Washington.
Der linke Journalist Glenn Greenwald kritisierte in seiner Sendung »System Update« die vernichtende Kritik an den rechten Rebellen: »Offenbar denkt man, dass eine gesunde Demokratie verlangt, dass alle im Stechschritt marschieren, die Befehle von oben ausführen und nie irgendwas in Frage stellen«. Aus Greenwalds Sicht sind die Parteieliten keineswegs so gegensätzlich, wie von den Medien suggeriert. In vielen Bereichen kooperieren beide Parteien, wie in der maßlosen Erhöhung des Verteidigungsbudgets oder in der Fortsetzung des Patriot Acts (Überwachung der Bevölkerung), zum letzten Mal unter Pelosi im Jahr 2018 während Trumps Präsidentschaft. Die US-Presse berichtet laut Greenwald zwar immer über die Differenzen bei eher unbedeutenden Themen, kaum aber über die eherne Einheit des Sicherheitsstaates.
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