In harter Konkurrenz

»Marder«-Export in die Ukraine belebt das Rheinmetall-Geschäft mit dem Töten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast täglich grüßt das Pluszeichen. Die Gewinnkurve des Aktienwertes von Rheinmetall weist seit Monaten nach oben. Kein Wunder, dass der Düsseldorfer Rüstungskonzern, nebenbei auch als Autozulieferer aktiv, zwar ein unerwartet niedriges Wachstum hat, zugleich jedoch einen Rekordgewinn anpeilt. Das operative Ergebnis, so teilte Rheinmetall dieser Tage mit, dürfte 2022 um mehr als 20 Prozent gestiegen sein. Das wären deutlich mehr als 700 Millionen Euro. Insgesamt sei der Konzernumsatz im vergangenen Jahr, bereinigt um nicht fortgeführte Aktivitäten, um rund 13 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro gewachsen. Endgültige Zahlen sollen Mitte März vorliegen.

Seit Gründung der Rheinmetall AG im Jahr 1889 lebt das Unternehmen auf, wenn Menschen sterben. Derzeit profitiert man vor allem vom Krieg in der Ukraine, der mit einem gigantischen Aufrüstungsprogramm in den Nato-Staaten einhergeht. Der Aktienkurs stieg um rund zwei Prozent, als die Bundesregierung Ende vergangener Woche die Lieferung von Schützenpanzern an die Ukraine bestätigte. Man will in den ersten drei Monaten des neuen Jahres 40 »Marder« – also Technik für ein komplettes Panzergrenadierbataillon samt Ersatzteilen, Munition und Instandsetzungsgerät – an die Front schicken. Die Fahrzeuge kommen aus Bundeswehr-Garagen, die von Rheinmetall wieder gefüllt werden.

Der plötzliche Berliner Pro-Lieferung-Sinneswandel sowie die militärische Logik nähren Spekulationen, laut denen dem »Marder« relativ rasch »Leopard«-Kampfpanzer folgen. Der von Rheinmetall gemeinsam mit dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann in einer Gesamtstückzahl von über 4700 gefertigte »Leopard 1« wurde in neun Länder auf fünf Kontinenten verkauft. 50 derartige Panzer hat Rheinmetall »auf dem Hof«, denn man hat sie – wie auch modernere »Leopard 2« – günstig aus Ländern zurückgekauft, die auf modernere Vernichtungsmaschinen umrüsteten. Ebenso wie die Ausbildung ukrainischer Besatzungen dauere die Exportvorbereitung der Panzer nur wenige Wochen, heißt es im Konzern. Die Verfahren sind eingespielt und seit dem Ukraine-Export des Flugabwehrpanzers »Gepard« erprobt.

Der von der Nato initiierte sogenannte Ringtausch ist ein willkommenes Zubrot für Rheinmetall. Mitgliedsländer, die noch über Panzer sowjetischer Bauart verfügten, schickten diese in die Ukraine. Dafür liefert Deutschland »Leoparde« samt Munition und Logistiksystemen an die slowakischen Streitkräfte, Griechenland erhielt »Marder«.

Die Geschäftspalette von Rheinmetall ist weit umfangreicher. So ersetzt man gerade jene Panzerhaubitzen, die die Bundeswehr an die Ukraine abgegeben hat. Diese will darüber hinaus angesichts des russischen Angriffskrieges ihre Artillerieeinheiten verstärken. So im Fluss, bot Rheinmetall der Ukraine bis zu 100 weitere Haubitzen an, wobei Kiews Generälen der Sinn aber eher nach hochmobilen Radhaubitzen steht. Konkurrenz belebt das Geschäft mit dem Töten: Frankreich und die Slowakei schickten eigene Waffen. Bei Rheinmetall begann man mit der Produktion eines Artilleriegeschützes auf Basis des ebenfalls vom Konzern hergestellten »Boxer«-Transportpanzers. 18 Systeme sind bereits im Kriegsland angekommen, die Ukraine ist der erste Nutzer. Mehr Erprobungsmöglichkeiten können sich die Rheinmetall-Konstrukteure nicht wünschen.

Ein höchst lukrativer Konzernbereich ist die Munitionsherstellung. Der Verbrauch der ukrainischen Streitkräfte ist immens, und der Westen liefert, was nur geht. Ergebnis: Die Depots der Nato-Staaten sind ziemlich leer und sollen aufgestockt werden. Dem entgegen steht allerdings der begrenzte Vorrat an Rohstoffen. Viele kommen aus China oder werden von dortigen Firmen vertrieben. Wie alle anderen Munitionsproduzenten sucht auch Rheinmetall nach alternativen Lieferwegen. Mitte Dezember bestätigte der Konzern, dass man mit einem nicht näher benannten Nato-Land einen Vertrag im Umfang von 33 Millionen Euro über die Lieferung von 10 000 Artilleriegranaten geschlossen habe. Abgewickelt wird das Geschäft von der südafrikanischen Tochter Denel.

Da der weltweite Bedarf an Munition aller Art die derzeitigen Möglichkeiten deutlich übersteigt, werden neue Produktionsanlagen geplant. Wieder kommt Denel ins Spiel: Für einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag baut die Rheinmetall-Tochter im ungarischen Várpalota eine neue Sprengstofffabrik. Sie soll ab 2027 von einem Joint Venture mit einem staatlichen ungarischen Unternehmen betrieben werden.

Solche Deals ergeben sich wie von selbst, sind zwei Partner erst einmal vertrauensvoll im Geschäft. Die Erfahrungen, die man bisher beim Bau des »Puma« und der Beseitigung von dessen »Kinderkrankheiten« gewann, halfen bei der Entwicklung des Schützenpanzers »Lynx«. Budapest bestellte 218 Stück, 172 laufen bei einem Joint Venture im westungarischen Zalaegerszeg vom Band. Fast hätte man auch in der Slowakei ein »Lynx«-Werk gebaut, doch Bratislava bestellte im Rahmen eines Regierungsabkommens mit Schweden jüngst für 1,3 Milliarden Euro Schützenpanzer beim britischen Konzern BAE Systems. Aber vielleicht klappt es ja mit den gerade in der Ukraine erprobten Rheinmetall-Radhaubitzen. Slowakische Rüstungsexperten fragten schon mal an, was die kosten würden.

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