VW-Betriebsratsgehälter erneut auf dem Prüfstand

BGH verhandelt über Revision der Staatsanwaltschaft gegen Freispruch für großzügige Bezüge

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Sitzung des 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofes (BGH) diesen Dienstag in Leipzig könnte deutlich werden, warum sich die Justiz einem Vorgang widmet, der vor allem Außenstehenden auf den ersten Blick eher wie ein internes Geschehen anmutet, das zu den üblichen Gepflogenheiten einer mit Millionen operierenden Weltfirma zählt. Doch die Entscheidung der höchsten Strafinstanz in der Bundesrepublik könnte wegweisend sein für weitere Großunternehmen, wenn es um Vergütungen im Betriebsratsbereich auf dessen Führungsebene geht.

Rückblende: Über satte Geldeingänge hatten sich zwischen 2011 und 2016 leitende Kräfte des VW-Betriebsrates freuen dürfen, mit dabei: der als einflussreich, ja als mächtig in der Autoschmiede geltende Vorsitzende des Konzern-Gesamtbetriebsrates Bernd Osterloh. Der nicht selten »König von Wolfsburg« genannte Arbeitnehmersprecher bekam in guten Zeiten ein Jahressalär von 750 000 Euro brutto. Zum Vergleich: Ein 35-jähriger Vollzeitarbeiter mit Steuerklasse 3, der am Band Autos zusammenschraubt, bekommt von Volkswagen im Monat etwa 3000 Euro ausgezahlt.

Deutlich mehr Geld gab es für diejenigen Betriebsratsspitzen, deren Bezüge noch immer die Justiz beschäftigen. Der BGH soll klären, ob der Freispruch des Landgerichts Braunschweig für jene Manager rechtens war, die die strittigen Bezüge absegneten. Die Staatsanwaltschaft hatte beim Prozess im September 2021 betont: Mit so hohen Zahlungen sei der Gewinn des Konzerns vermindert worden, sei VW ein Schaden von rund fünf Millionen Euro entstanden. Juristisch betrachtet hieße das: Seitens der Manager sei Untreue begangen worden. Das sei eine Straftat. Und so hatte die Anklagebehörde auf Bewährungsstrafen plädiert und gefordert, die Manager sollten zudem zur Zahlung von Geldauflagen verurteilt werden.

Stattdessen sprach das Landgericht alle vier Angeklagten frei. Die Manager seien irrtümlich davon ausgegangen, keine Pflichten zu verletzen, eine vorsätzliche Untreue gegenüber ihrem Arbeitgeber VW sei ihnen nicht vorzuwerfen, begründete das Gericht dies. Damit aber gab sich die Staatsanwaltschaft nicht zufrieden, legte Rechtsmittel ein, indem sie beim BGH die Revision des Braunschweiger Urteils beantragte. Der Grund dafür, dass der BGH erst jetzt den Fall verhandelt, wird wohl in der Bedeutung der Sache liegen: Der Spruch der hohen Instanz dürfte grundsätzlichen Charakter haben und mitentscheidend werden für ähnliche Fälle wie den beim Autobauer VW.

Bislang gibt es keine Regelung oder Richtlinie zur Höhe von Betriebsratsbezügen, auch nicht mit Blick auf Entscheidungsträger der Arbeitnehmervertretung. Bestimmungen zu ihr sind im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. Ihm zufolge dürften Betriebsratsmitglieder überhaupt kein Geld dafür bekommen, dass sie die Interessen der Belegschaft vertreten. Heißt es doch im Paragrafen 37 jenes Gesetzes: »Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.« Und weiter: »Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.«

Doch was für ein Arbeitsentgelt es ist, das nicht gemindert werden darf, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ist es der Lohn, den ein Betriebsratsmitglied vor der Aufnahme in dieses Gremium bekam? Oder dürfen beziehungsweise müssen sogar Bezüge angesetzt werden, die Betriebsratsangehörige im Unternehmen hätten erreichen können – irgendwann auf der Karriereleiter?

Bernd Osterloh muss sich darüber keine Gedanken mehr machen, er hat eine der obersten Sprossen der Karriereleiter erklommen, hat im Frühjahr 2021 die Seiten gewechselt. Er wurde Vorstandsmitglied der Lkw-produzierenden VW-Tochterfirma Traton, bezieht von ihr jährlich rund zwei Millionen Euro. Seine Nachfolgerin an der VW-Betriebsratsspitze, Daniela Cavallo, seit Mai 2021 im Amt, bekommt ein Jahresgehalt von 100 000 Euro brutto plus Boni – Anteile am wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns – im fünfstelligen Euro-Bereich, wie sie der Zeitung »Die Zeit« offenbarte. Vielleicht sagt der Bundesgerichtshof in der anstehenden Verhandlung auch etwas dazu, ob eine solche Vergütung angemessen ist.

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