Alle Besen stehen still

Beschäftigte bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen streiken für mehr Lohn

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch am Kottbusser Tor haben die Landeseigenen Wohnungen gekauft – instand halten müssen sie unterbezahlte Beschäftigte.
Auch am Kottbusser Tor haben die Landeseigenen Wohnungen gekauft – instand halten müssen sie unterbezahlte Beschäftigte.

Halb elf am Donnerstag schrillen am Kottbusser Tor in Kreuzberg die Trillerpfeifen. Mehrere Hundert Beschäftigte bei den Unternehmen Fletwerk, Degewo Gebäudeservice und Gewobag MB sind in den gemeinsamen Streik getreten. Sie übernehmen für landeseigene Wohnungsunternehmen Arbeiten beispielsweise als Hauswart, Handwerker oder auch als Fachkraft in der Mietschuldnerberatung. Ob in Tochterunternehmen oder als externer Dienstleister: Sie alle eint, dass sie nicht fair bezahlt werden – obwohl sie Arbeiten in Häusern von Unternehmen übernehmen, die in Landeshand sind. »Es ist Zeit für einen Gewinnverzicht, nicht für Gehaltsverzicht«, lautet deshalb das Motto für den Arbeitskampf.

Von diesem Gewinnverzicht ist bisher keine Spur zu sehen. Bei allen drei Unternehmen scheiterten im Dezember Gehaltsverhandlungen. Die Ausgangslage unterscheidet sich dabei. Am längsten läuft der Arbeitskampf mittlerweile bei Degewo Gebäudeservice. Sechs Streiktage haben die Beschäftigten schon hinter sich. Zuletzt wurden ihnen Entgeltsteigerungen von acht Prozent für 2023 angeboten. Das klinge erst mal viel, heißt es von den Beschäftigten, angesichts der Inflation komme es aber immer noch einem Reallohnverlust gleich. 2024 wäre außerdem zur Nullrunde geworden, hätten sie das Angebot akzeptiert. Das Unternehmen habe dabei zuletzt ordentlich eingespart, weil Stellen nicht besetzt wurden, wodurch auf die Beschäftigten wiederum mehr Arbeit zukam. »Dienst nach Vorschrift muss jetzt die Devise sein«, rief Verdi-Verhandlungsführer Benjamin Roscher unter Applaus bei der Streikkundgebung.

Mit Mehrarbeit kennen sich auch jene aus, die sich um die Häuser der Gewobag und ihre Mieter kümmern. 2011 hatte das landeseigene Wohnungsunternehmen eine ihrer Töchter an den externen Dienstleister Fletwerk outgesourct. Hauswarte bekommen hier 12,50 Euro die Stunde, Handwerker 14,50 Euro. Gefordert wird jetzt 18 Prozent mehr Lohn. Die Anzahl der Häuser, um die sie sich kümmern, habe zugenommen, weil das Unternehmen »Schrotthäuser« gekauft habe, wie es am Donnerstag heißt. Wie hier am Kottbusser Tor, wo die Gewobag auch den Gebäuderiegel des Neuen Kreuzberger Zentrums übernommen hat, setzen die Wohnungsunternehmen in öffentlicher Hand den Ankaufswillen der Landespolitik um. So richtig umgesetzt werden muss es am Ende ohnehin von den Beschäftigten.

Das gilt auch für den beschlossenen Mietenstopp und das Kündigungsmoratorium bei den Landeseigenen. Die Mietschuldnerberatung wird bei der Gewobag-Tochter MB von zwölf Beschäftigten übernommen. Weil sie nicht nach dem Flächentarifvertrag der Wohnungswirtschaft bezahlt werden, erhalten sie mitunter 30 Prozent weniger als ihre Kollegen und müssen zudem länger arbeiten. Tom, der eigentlich anders heißt, seinen richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, erzählt »nd«, dass ihnen zwar die Aufnahme in den Flächentarifvertrag angeboten worden sei, aber in der niedrigsten Stufe, was für ihn 200 Euro weniger Bruttolohn bedeuten würde.

»Für Mieter wird politisch viel getan. Das ist richtig, ich bin auch Mieter. Aber wir Beschäftigen geraten dabei schnell in Vergessenheit, weil wir zahlenmäßig schlichtweg weniger sind«, sagt er »nd«. Die Streikenden wollen keine Zwietracht mit den Mietern. Zwar werden auch höhere Mietnebenkosten zugunsten von Gehaltserhöhungen gefordert, gleichzeitig aber auch Solidaritätsadressen von Mietern der Landeseigenen vorgelesen. Mit Applaus wird die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins begrüßt, die darauf hinweist, dass sich die Landeseigenen dank Millionenüberschüssen durchaus bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten leisten können. So zahle die landeseigene WBM im Vergleich zur Gewobag bei niedrigeren Nebenkosten höhere tarifliche Löhne.

Ungerecht soll es nicht länger bleiben, das versprechen auch Landespolitiker der Koalition aus SPD, Grünen und Linke. Nicht zuletzt im Wahlkampf bleibt ihnen auch kaum etwas anderes übrig. Dass die Landeseigenen keine »Billigheimer« sein dürfen, sagt Grünen-Arbeitsmarktpolitiker Christoph Wapler. Davon, dass man »ohne euch« keine bezahlbaren Wohnungen unterhalten oder bauen kann, spricht sein Kollege Damiano Valgolio von der Linken. Und Sven Meyer von der SPD entschuldigt sich, dass man Verbesserungen bisher nur im Koalitionsvertrag verabredet habe. »Nach dem 12. Februar wollen wir das auch umsetzen.« Die Beschäftigten werden sie daran erinnern, so viel ist sicher.

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