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USA bauen Militärallianz mit Japan aus
Regierungschefs Biden und Kishida liegen beim Besuch in Washington auf einer Wellenlänge
Japan macht ernst mit der historischen Wende in der Verteidigungspolitik. Bisher war sein Militär ausschließlich auf Selbstverteidigung ausgerichtet. Dass sich das Land Offensivwaffen wie Marschflugkörper zulegen will, die potenzielle Ziele in China erreichen können, hat Tokio schon verkündet. Nun ist auch klar, dass das US-Marinecorps seine Tätigkeit auf den 160 Inseln der südjapanischen Präfektur Okinawa ausbauen wird. Bald übt ein neues Küsten-Regiment auf den dazugehörigen Ryukyu-Inseln, die teilweise nur 100 Kilometer von Taiwan entfernt liegen.
Das war die wichtigste militärische Ankündigung vor dem Besuch von Premierminister Fumio Kishida in Washington: Die militärische Allianz zwischen der ehemaligen Besatzungsmacht USA und dem einst besiegten Japan wird intensiviert. Bei Kishidas Visite am 13. Januar betonte Biden den engen Schulterschluss mit dem ostasiatischen Land. Die USA stünden voll und ganz hinter der Allianz mit Japan und vor allem auch der Verteidigung Japans, sagte Biden im Oval Office. Kishida erklärte, Japan und die USA seien derzeit mit der herausforderndsten und kompliziertesten Sicherheitslage der jüngeren Geschichte konfrontiert.
Okinawas Bewohner profitieren nicht
Für Okinawa, dessen Ureinwohner erst Ende des 19. Jahrhunderts von Japan unterworfen wurden, fiel die Entwicklung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bescheiden aus. Erst im Jahr 1972 wurde die Präfektur an Tokio zurückgegeben. Bis heute sind 70 Prozent der US-Militärbasen in Japan dort stationiert, auf einer Fläche, die 0,6 Prozent der japanischen Landmasse ausmacht.
Über 50 Jahre versuchte Okinawas politische Führung mit mäßigem Erfolg, die Bürden der Stationierung auf das übrige Japan zu verteilen: Fluglärm, Verkehrsunfälle und Kriminalität sind die Vorwürfe der 1,4 Millionen Bewohner. Jetzt macht die japanische Version der »Zeitenwende« einen Strich durch diese Rechnung. Denn Okinawa ist strategisch enorm wichtig. Einige Ryukyu-Inseln sind so nah an Taiwan wie das chinesische Festland.
Die Lage des Landes ist gleichzeitig das Pech der Bürger. 94 000 Inselbewohner sind bei der US-Eroberung im Pazifikkrieg gestorben; im Volksmund hieß die Episode »der Taifun aus Stahl«. Im Korea- und Vietnamkrieg spielte Okinawa eine enorme Rolle. Seit vergangenem Jahr üben chinesische Flugzeugträger, wie das Schiff »Lianoning«, im umstrittenen Gewässer des ostchinesischen Meeres. Die Japaner fliegen dort mit Drohnen wie den RQ Global Hawks; die chinesischen Gegenstücke sind die WZ-7 Soaring Eagles. Das Nachspiel des Weltkrieges ist vorbei, das Vorspiel eines neuen Krieges hat begonnen.
Das Marinecorps übt maßgeschneidert für diesen Konflikt: In einer epochemachenden Reform hat der Kommandant David Berger mit Unterstützung des US-Kongresses eine Neugestaltung des Corps unternommen. Das neue Corps soll als Abschreckung dienen – gegen chinesische Pläne, sich Taiwans zu bemächtigen. Neue Küstenregimente, wie das zwölfte Küstenregiment auf Okinawa, wurden ins Leben gerufen. Dafür wurden die Stellen von 12 000 Marines gestrichen, mehr als 40 Prozent weniger Marines werden künftig in Infanteristen-Regimenten dienen. 400 Abrams-Panzer wurden an die Armee abgegeben, Helikopter wurden eingemottet. Dafür wurden viele Langstreckenraketen und Antischiffsraketen angeschafft.
Berger will ein schnelleres Marinecorps mit mehr Feuerkraft. Okinawa, das mit Kadena die größte US-Basis in Asien besitzt, ist aus militärischer Sicht das Prachtstück: Kleine, sehr mobile Gruppen von Marines werden jetzt über alle Inseln der Präfektur verteilt.
Gegen diese Reform gab es Protest. Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges haben zwei Dutzend ehemalige Generäle in den US-Medien laute Kritik geäußert: Viel zu spezialisiert werden die Marines für den pazifischen Krieg umgemodelt. Dabei sind konventionelle Landkriege keineswegs Geschichte. Doch die jetzige Führung der Marines und auch die politische Führung in Washington scheinen den Ukraine-Krieg nicht als Problem der Kriegsführung zu sehen, sondern als potenzielles Beispiel für Pekings Taiwan-Pläne. Alle Augen in Washington sind auf das asiatische Gewässer fixiert.
Der einflussreiche Analyst, Hal Brands, schreibt bei Bloomberg, dass der Ukraine-Krieg gezeigt habe: »Es gibt nur eine Supermacht.« Die USA spielen die entscheidende Rolle im Ausgang von Konflikten; ohne die Hilfe der USA wären die Ukrainer längst besiegt. Der Konflikt in der Ukraine ist zwar noch keineswegs zu Ende, aber scheinbar für die US-Militärplanung so gut wie.
Pax Americana ist Geschichte
Die Pax Americana ist endgültig vorbei, wenn sie nicht in Asien eindeutig wiederhergestellt wird – das gilt in der US-Regierung als ausgemacht. Japan unter Premier Kishida teilt diese Ansicht; 90 Prozent des Öls für die Industrie wird durch diese Meerengen transportiert werden. Am 21. Dezember kam ein chinesisches J-11-Kampfflugzeug einem US-Flugzeug vom Typ Reconnaissance RC- 135 Rivet Joint über dem Südchinesischen Meer bis auf drei Meter nahe.
Die Zeitenwende von Fumio Kishida wird jährlich sieben Milliarden Dollar an Steueraufkommen kosten. In Asien gibt es eben keine EU; Tokio muss direkt mit der ehemaligen Besatzungsmacht verhandeln. Im Mai will Kishida Gastgeber für das G7-Treffen in Hiroshima sein. Wo durch den Atombombenabwurf der US-Army bis zu 140 000 Menschen gestorben sind, will der unbeliebte Premier für die Aufrüstung der Zukunft werben.
Noch schwärmen Tourismus-Zeitschriften wie »Shots Magazine« von den Stränden des subtropischen Okinawa, ein Lieblingsziel besonders von europäischen Touristen. Noch herrscht die friedliche Globalisierung. Okinawa ist nicht mal doppelt so groß wie Berlin, doch es soll Taiwan schützen. Taiwan sollte in der neumodischen Militärsprache, wie auch die Ukraine, wie ein »Stachelschwein« ausgestattet sein, vor Speerspitzen strotzend und für Raubtiere ungenießbar. Die Bedenken der Bürger von Okinawa fallen kaum ins Gewicht, für sie gibt es nicht mal den Schutz des Stachelschweines. Der antimilitaristische Aktivist Takashi Kishimoto vom Zentrum der Friedensbewegung auf Okinawa sagt der US-Militärzeitung »Stars und Stripes«: »Mit so vielen Raketen, wie bei uns stationiert sind, ist es gut möglich, dass wir attackiert werden.«
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