Kifferparadies wider Willen

In Thailand stößt die liberalere Drogenpolitik auf starken Gegenwind

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in den Straßenzügen rund um Bangkoks Haupttouristenmeile Khaosan Road unterwegs ist, der kann sie alle paar Meter sehen: kleine Geschäfte oder auch mobile Stände, an denen Cannabis frei erhältlich ist. Händler preisen ihre Ware an, locken mit angeblich exzellenter Qualität und attraktiven Preisen.

Dass sich in Thailand binnen weniger Monate ein solch florierender Markt in der Hauptstadt und anderswo mit aktuell schon 2600 lizensierten Geschäften etabliert, war eigentlich nicht beabsichtigt, als die Politik im vergangenen Jahr den Sektor entkriminalisierte. Jetzt gibt es eine erste Reaktion: Wie die führende Tageszeitung »Bangkok Post« kürzlich unter Berufung auf die Nationalen Behörde für Traditionelle und Alternative Medizin (DTAM) berichtete, sollen Käufer*innen zumindest beim Erwerb ein Ausweisdokument vorlegen müssen. Zugleich wolle man die Händler*innen stärker überwachen. Die neuen Regularien sollen möglichst zügig im königlichen Amtsblatt veröffentlicht werden – erst mit der Billigung des Königs kann in der südostasiatischen Monarchie eine Gesetzesvorschrift in Kraft treten.

Es war Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul, der die treibende Kraft hinter dem nationalen Umdenken im Juni 2022 war; zuvor drohten hohe Gefängnisstrafen für Besitz und Handel. Cannabis solle zur anerkannten Heilpflanze werden, begründete der Minister zuletzt bei einer Parlamentsdebatte im November, als durchaus kontrovers über den Entwurf für ein umfassenderes Gesetzeswerk, das sogenannte Cannabis Bill, debattiert wurde. Anutin, der auch als einer der Stellvertreter von Premierminister Prayuth Chan-ocha fungiert, steht zugleich der Bhumjaithai Party vor, die in der derzeitigen Koalition zwar nur einer der kleineren Regierungspartner ist, bei der Wahl im Mai aber zu den drei oder vier Parteien gezählt wird, die Aussicht auf die meisten Sitze im Parlament haben könnten.

Dass Thailand inzwischen zum vermeintlichen »Kifferparadies« geworden ist, wie es in jüngsten ausländischen Medienbeiträgen mit Blick auf den exzessiven Verkauf gerade in der Khaosan Road, auf der südlichen Ferieninsel Phuket und anderen touristisch geprägten Gegenden heißt, stößt im Land auf Bedenken – über Lagergrenzen hinweg. So war innerhalb der Regierungskoalition die tonangebende Pracharath Party, eine Gründung der Putschisten von 2014, seinerzeit mit weitaus weniger Enthusiasmus für die Entkriminalisierung, während die Demokratische Partei, Thailands älteste politische Kraft, heftige Bedenken äußerten. Auch die liberale Pheu Thai Party als wichtigste Oppositionskraft sieht das, was sich in der Folge dieses Schrittes an Wildwuchs in Sachen Konsum und Straßenverkauf entwickelt hat, ziemlich kritisch.

Der Gesundheitsminister selbst, der dank des Popularitäts-Höhenflugs seiner Partei zuletzt sogar als Aspirant auf das höchste politische Amt im Lande galt, ist nun bemüht, seinen zahlreichen Kritikern mit einem Minimum an neuen Regelwerken den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vor allem will er die Abgabe an Minderjährige effektiv unterbinden, auch den allzu sorglosen Freizeitkonsum unter Erwachsenen würde der Minister gern etwas eingeschränkt sehen, um in der Vorbildwirkung die Jugend zu schützen. Und bei den geplanten größeren Kontrollen des Marktes durch die Behörden sind sich die Politiker*innen sogar weitgehend einig.

Neben der Entkriminalisierung von Cannabis setzt Thailand – gänzlich untypisch für die Region – auch insgesamt auf eine entspanntere Drogenpolitik. Mit dem sogenannten Narcotics Act werden Konsument*innen vorrangig nicht mehr als Verbrecher*innen, sondern als Suchtkranke eingestuft. Das ist aber nicht nur in politischen Kreisen nach wie vor strittig. Bei einer Umfrage des führenden Meinungsforschungsinstitutes Nida sprachen sich im Oktober auch gut 50 Prozent der Befragten explizit gegen diesen Sinneswandel aus. Sie und weitere 13 Prozent befürchten, dass aus Drogenabhängigen allzu leicht auch Dealer*innen werden könnten. Lediglich ein Fünftel war überzeugt, dass Hilfsangebote der effektivere Ansatz gegenüber der bisherigen restriktiven Praxis sind.

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