Ich werde nie wiederkommen

nd-Kolumnistin Anne Hahn über die Widrigkeiten eines Badebesuchs in Thessaloniki

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Viel Platz, wenig Betrieb: Der National-Swimming-Pool in der griechischen Stadt Thessaloniki.
Viel Platz, wenig Betrieb: Der National-Swimming-Pool in der griechischen Stadt Thessaloniki.

Dezember 2019, Thessaloniki. Die Stadt empfängt uns herbstlich warm und sonnig. Auf der jüngst fertiggestellten kilometerlangen Uferpromenade lässt sich wunderbar am Meer flanieren, im Stadtpark kreischen hellgrüne Alexandersittiche. Katzen lagern auf dicken Pappen unter Sonnenschirmen entlang der Boulevard-Imbisse und eine Gruppe athletischen Jungvolks reckt Yogafiguren in den Abendhimmel. Eine Handvoll tiefergelegter antiker Ruinen geben der Stadt einen malerischen Anstrich, gegenüber des langgestreckten Zentrums thront der Gipfel des Olymps mit seiner weißen Kappe, davor dümpeln riesige Schiffe im Wasser. Die Stadt hat zwei Fußballvereine in der ersten Liga, von denen einer vor allem für seinen pistolenschwingenden Präsidenten international bekannt geworden ist (PAOK). Wir wollen den Trainer des anderen Vereins, Aris Saloniki, interviewen und eines seiner Spiele besuchen.

Die kleine Wohnung in einer aufs Meer zulaufenden Straße habe ich nach Stadionnähe und Schwimmbaderreichbarkeit ausgesucht. Als ich am nächsten Morgen den von Google Maps verheißenen Swimming Pool aufsuche, entpuppt er sich als ein bröckelndes Betonungetüm mit Sportfachgeschäft. Ich möchte aber keinen Badeanzug kaufen, sondern schwimmen gehen. Bei meiner Suche komme ich am antiken Triumphbogen, dem Atatürk-Geburtshaus und der byzantinischen Stadtmauer vorbei, bis ich das Gelände der Aristoteles-Universität erreiche. Hier soll sich der National-Swimming-Pool befinden, ich stöbere zwischen Bäumen und Hängen herum, bis ich einen Sprungturm und bald darauf den Eingang in das dazugehörige Gebäude entdecke.

Schon laufe ich durch gekachelte Flure und sehe mich am Ziel meiner Wünsche, als ich derb angefaucht werde. Mein weibliches Gegenüber und ich scheitern an einer gemeinsamen Sprache. Unter anschwellendem Schimpfen und einer inzwischen drei Personen starken Begleitung werde ich durch eine Ruine von Hallenbad geleitet, in der mehrere Schulklassen Schwimmunterricht erhalten und finde mich in einem Büro mit Schreibtisch wieder.

Der Chef kann englisch sprechen. Er trägt ein blütenweißes Hemd und gezwirbelten Schnurrbart und ist von der Störung genervt. Bald versucht er mir zu erklären, dass ich ein dreifaches ärztliches Zeugnis vorlegen müsse, um hier schwimmen zu dürfen. Ja, jeweils ein Hautarzt, Hausarzt und Gynäkologe müssten mir schriftlich bestätigen, dass ich gesund sei. Alle vier sehen mich erwartungsvoll an. Ich will doch nur schwimmen, versuche ich es auf Englisch. Nur einmal schwimmen, und mit stechendem Blick setze ich nach: »I’ll never come back!« Jetzt schauen wir zu viert auf den Chef. Das Wunder geschieht, er nickt, winkt mich mit entlassender Geste zur Tür hinaus und murmelt seinen Angestellten etwas zu, die mir kopfschüttelnd das Gangsystem weisen.

Schon stehe ich im Keller in der Umkleide. Spinde Fehlanzeige, die einzige Glühbirne zischt und knistert, eine Dusche plätschert vor sich hin. Mit den Klamotten im Arm passiere ich eine rostige Tür und eine mulchig-feuchte Schleuse. Stehe vorm Außenschwimmbecken, lege ab und steige hinein. Ein Bademeister pfeift mich prompt von der Außenbahn weg in die Mitte der acht Fünfzig-Meter-Bahnen. Der Sprungturm ist mit Netzen umwickelt, bis in die dritte Bahn fallen seine Bruchstücke und bilden Muster auf dem Beckenboden. Ich bemerke spät, dass wir nur zu dritt im Freibad schwimmen. Dazu zwei Bademeister, ein Radio und etwa zehn Katzen in allen Farben, die sich auf den bröselnden Tribünenstufen sonnen.

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