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Keine Wagenknecht-Partei
Karl-Liebknecht-Kreis spricht sich gegen Spaltung der Linken aus
Diese Geschichte bietet Stoff für einen neuen Radio-Jerewan-Witz: Stimmt es, dass sich Mitte Januar einflussreiche Anhänger der Linke-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht in Berlin getroffen haben, um dort den Zeitplan für die Gründung einer neuen Partei zu verabreden? Antwort: Im Prinzip ja, aber sie sind nicht einflussreich, sie haben keinen Zeitplan besprochen und sie wollen auch keine Spaltung der Linken.
Um dies zuverlässig sagen zu können, müsste man allerdings wissen, welches Treffen und welchen Führungskreis das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« meinte, als es jetzt über angeblich konkreter werdende Pläne für eine Wagenknecht-Partei berichtete. Fakt ist, dass der vor dreieinhalb Monaten gegründete Karl-Liebknecht-Kreis Brandenburg (KLK) am 15. Januar einen eigenen Marschblock bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin bildete. In Sachsen gab es schon vorher einen Liebknecht-Kreis, auch in Sachsen-Anhalt existiert seit Dezember ein Projekt dieser Art, das sich laut Entwurf seiner Gründungserklärung für sozialistische Grundsätze und gegen jedwede Spaltungsversuche ausspricht.
20 an solchen Aktivitäten interessierte Linke aus verschiedenen Bundesländern setzten sich nach der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im armenischen Restaurant »Yerevan« unweit der Gedenkstätte der Sozialisten an eine lange Tafel, um sich kennenzulernen. Niels-Olaf Lüders, Rita-Sybille Heinrich und Artur Pech aus Brandenburg saßen mit am Tisch, außerdem der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Lüders ist sich nicht sicher, ob »Der Spiegel« wirklich dieses Treffen gemeint hat. Rita-Sybille Heinrich vermutet das.
Die drei Brandenburger sind ehrenamtliche Funktionäre aus der dritten Reihe und nehmen es amüsiert zur Kenntnis, sollten sie zu einem angeblichen Führungskreis gezählt werden. Sie berichten davon am Samstag in Bernau. Dort treffen sich 32 Unterstützer des brandenburgischen KLK, um über die künftige Struktur zu sprechen. Soll eine Landes- oder Bundesarbeitsgemeinschaft gebildet werden oder macht man als loser Zusammenschluss weiter? Beschlossen wird nichts. Die KLK-Koordinierungsgruppe möchte sich zunächst ein Bild über die Stimmung machen. Und weiter nachdenken.
Nach nd-Informationen aus verschiedenen Quellen spricht sehr wenig dafür, dass Wagenknecht gegenwärtig insgeheim plant, aus der Linken auszutreten und sich zur Galionsfigur einer neuen Partei aufzuschwingen. Niels-Olaf Lüders jedenfalls arbeitet nicht auf eine Spaltung hin. Er hat im Gegenteil den Liebknecht-Kreis mitgegründet, um Auflösungstendenzen zu begegnen und enttäuschte Mitglieder, die sich mit Austrittsgedanken tragen, in der Partei zu halten und dort mit ihnen gemeinsam für einen strikten Friedenskurs zu streiten.
Als Erfolg meldet der Storkower Uwe Tippelt in Bernau, dass in seinem Kreisverband Oder-Spree zehn Genossen, die schon hinwerfen wollten, in der Partei geblieben seien, weil ihnen der KLK Antworten gebe und Hoffnung mache. Heinz Hillebrand aus Wildau teilt die von der Partei enttäuschten Genossen in drei Gruppen ein: 25 Prozent wollen demnach eine neue Partei, 50 Prozent drohen, dass sie nicht weiter alles hinnehmen werden, und 25 Prozent wollen die Partei unbedingt retten.
»Wir kämpfen um die Partei und nicht um ihre Spaltung«, versichert Artur Pech. Das dürfte Bundesgeschäftsführer Tobias Bank gern hören. Er ist als Gast gekommen und betont: »Ich sehe in eurem Liebknecht-Kreis weder einen Feind noch einen Gegner, sondern einen Partner. Ihr macht euch Sorgen um die Partei. Wir machen uns auch Sorgen.« Die Beschlusslage der Partei sei übrigens eindeutig. Sie lehne Waffenlieferungen ab, sagt Bank. Dazu werde es ab Montag ein neues Flugblatt zum Herunterladen im Internet geben und sicher auch noch ein Plakat entstehen, verspricht der 36-Jährige. Er wirbt für Verständigung: »Wir sollten nicht jedes Mal, wenn wir in einen Saal kommen, fragen: ›Wer ist für Sahra und wer ist gegen Sahra?‹ Dann haben wir schon verloren.« Bank fügt noch hinzu: »Im Übrigen sind wir die einzige Partei, die die Eigentumsfrage stellt, und darin sind wir uns einig.«
Wildaus Linksfraktionschef Hillebrand findet, der Bundesgeschäftsführer rede sich die Lage schön. Viel zu lange habe der Bundesvorstand gezögert. Angesichts der Absichten, der Ukraine Leopard-2-Panzer zu überlassen, müsste es schon heute ein Plakatmotiv geben und nicht erst in vier Wochen, sagt Hillebrand. Er macht deutlich, dass er den russischen Angriff vom 24. Februar 2022 keineswegs gutheißt. Die Begründung von Kreml-Chef Wladimir Putin für den Krieg sei eine nationalistische gewesen. »Mit Putin habe ich nichts am Hut.«
In den E-Mail-Verteiler des brandenburgischen KLK haben sich bisher 64 Interessierte eingetragen, auf die zu Jahresbeginn freigeschaltete Internetseite gab es über 9000 Zugriffe. »Wir sind gewachsen. Wir werden auch noch weiter wachsen«, ist Hillebrand überzeugt.
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