- Berlin
- U2 und Covivio-Hochhaus
Fahrgäste gucken in die Röhre
Im Oktober sackte der Tunnel der U2 am Alexanderplatz ab, die Sanierung lässt auf sich warten
Der Ton zwischen der Politik und dem französischen Immobilienkonzern Covivio wird rauer. Über drei Monate, nachdem der Tunnel der U2 am Alexanderplatz aufgrund der Bauarbeiten an Covivios Hochhausprojekt eingepackt ist, ist der Beginn der Sanierung noch immer nicht in Sicht. »Covivio ist Verursacher des Schadens am Alexanderplatz und haftet. Sie muss für die Behebung sorgen«, machte Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zuletzt noch einmal deutlich.
Ihr Haus lädt das Unternehmen für Mittwoch zum Gespräch. Eingeladen sind auch die BVG und Mittes Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD). Denn noch immer fehle ein Konzept für die Sanierung des U-Bahn-Tunnels, so Jarasch. Sie berichtete vergangene Woche im Mobilitätsauschuss des Abgeordnetenhauses, dass Covivio lediglich Unterlagen für die Wasserschutzbehörde eingereicht habe, das Wichtigste aber noch fehle. Eine Sprecherin von Covivio hingegen sagt, dass bereits im Dezember »eine komplette Ausführungsplanung zur geplanten Stabilisierung und zu den entsprechenden Hebungsmaßnahmen« eingereicht worden sei.
Die Wand zur Baugrube von Covivios Hochhausprojekt am Alexanderplatz muss stabilisiert werden. Der Tunnel selbst soll daraufhin angehoben werden. Die Senatsmobilitätsverwaltung spricht von »komplexen ingenieurtechnischen Herausforderungen«. Geprüft werden muss das Sanierungskonzept von der in der Senatsverwaltung angesiedelten technischen Aufsichtsbehörde, vorlegen muss es aber zunächst Covivio. »Das Bauordnungsrecht ist sehr eindeutig. Ein Bauherr, der einen Bauantrag stellt und sagt, dass ein Bauvorhaben möglich sei, hat die Verantwortung dafür, dass das auch sicher ist«, beschrieb Jarasch im Mobilitätsausschuss die Rollenverteilung.
Doch diese wird angesichts des fehlenden Fortschritts infrage gestellt. Seit Anfang Oktober ist die U2 zwischen Alexanderplatz und Senefelderplatz nur noch im Pendelverkehr mit 15-Minuten-Takt unterwegs. Der Fahrgastverband IGEB fordert deshalb, die Senatsverwaltung müsse notfalls das Ruder übernehmen. Dem Unternehmen müssten klare Fristen gesetzt werden. »Wenn Covivio diese Unterlagen nicht in dieser Frist vorlegen und auch kein Datum zur Instandsetzung nennen kann, dann muss die sogenannte Ersatzvornahme greifen«, fordern die Fahrgastvertreter.
In diesem Fall würde die Senatsverwaltung veranlassen, dass die BVG nach einer Schadensprüfung selbst ein eigenes Sanierungskonzept erarbeitet. Die Kosten würden dann dem Unternehmen Covivio in Rechnung gestellt werden. Laut IGEB ist der tatsächliche Schaden derzeit nicht zu überblicken. Das »Worst-Case-Szenario« wäre, wenn eine Sanierung nicht mehr ausreiche und der »U-Bahnhof teilweise oder ganz neu gebaut werden muss«. Auch über Einschränkungen auf der U5 und U8, die ebenfalls über den Alexanderplatz verlaufen, wurde zuletzt spekuliert.
Ob bei der BVG bereits Szenarien geprüft werden, nach denen es auch auf anderen Linien zu Einschränkungen durch weitgreifende Baumaßnahmen kommen könnte, wird von offizieller Seite nicht kommentiert. Von einem Sprecher heißt es, man wolle den »Fahrgästen schnellstmöglich wieder einen regulären und sicheren Betrieb auf der so wichtigen Linie U2 anbieten«. Der Betrieb solle wieder aufgenommen werden, »sobald der Baugrund von Covivio dann durch das geplante Injektionsverfahren erfolgreich verdichtet und von Prüfingenieur*innen die Stabilität bestätigt wurde«. Zumindest offiziell geht man also nicht von einem Neubau des Tunnels aus.
Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, fordert dennoch, dass schleunigst geprüft werden müsse, ob die Sanierung reiche oder der Tunnel neu gebaut werden müsse. Auch die Gespräche aller Beteiligten am Mittwoch seien »längst überfällig«. »Die Senatsverwaltung hat mittlerweile zu viel Zeit verstreichen lassen«, kritisiert er. Spätestens als es geheißen habe, dass sich keine realistische Prognose abgegeben lasse, wann es wieder einen Normalbetrieb auf der U2 gebe, hätte man an Covivio ein deutliches Signal aussenden müssen, so Ronneburg. Auch der Forderung des Fahrgastverbands, dass die öffentliche Hand notfalls in Vorleistung gehen müsse, schließt sich Ronneburg an.
Letztlich müssten auch Lehren für die Zukunft gezogen werden. Die ohnehin die Hochhausprojekte am Alexanderplatz ablehnende Linke fordert seit der Havarie, dass solche Bauvorhaben berlinweit in der Nähe zur Verkehrsinfrastruktur gestoppt und überprüft werden. Ronneburg hält aber auch ein grundsätzliches Umdenken in der Debatte über Bauprojekte für notwendig. »Allzu oft wird blind darauf vertraut, dass Ingenieure für jedes Problem eine Lösung haben. Die U2 ist das mahnende Beispiel, dass manches doch nicht so trivial ist, wie es von Experten auf dem Papier vorgerechnet wird«, sagt er »nd«.
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