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Bessere Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag
Studentische Beschäftigte der Länder kämpfen für eine kollektivvertragliche Absicherung
Dieses Jahr wird nicht nur für die Beschäftigten von Bund und Kommunen verhandelt. Auch für die 939 000 Beschäftigten der Bundesländer mit Ausnahme von Hessen läuft Ende September der aktuelle Tarifvertrag aus. Neben einem Lohnplus von 2,8 Prozent sowie einer Einmalzahlung von 1300 Euro hatten die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Pädagogengewerkschaft GEW bei den letzten Verhandlungen im November 2021 den Ländern eine Gesprächszusage für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte der Länder (TV Stud) abgerungen. Ein erster Gesprächstermin für eine Bestandsaufnahme über die Arbeitsbedingungen der Betroffenen ist für Ende Januar angesetzt.
Dabei ist die Lage der studentischen Beschäftigten äußerst prekär und häufig von unbezahlter Arbeit geprägt, wie eine Studie zeigt, die Verdi und die GEW Ende vergangener Woche veröffentlichten. Demnach gaben 16,7 Prozent der studentischen Beschäftigten an, im Durchschnitt 4,9 Wochen vor oder nach Vertragsbeginn ohne Bezahlung zu arbeiten. Gleichzeitig sind laut der Umfrage 90 Prozent der studentisch Beschäftigten zur Finanzierung ihres Studiums auf die Arbeit angewiesen.
»Die Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäftigten grenzen an Ausbeutung. Dass Hochschulen und Universitäten Menschen arbeiten lassen, ohne sie dafür zu bezahlen, ist ein unhaltbarer Zustand«, kommentierte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Vielen werde auch kein Urlaub gewährt. Die täglichen Gesetzesverstöße müssten die Arbeitgeber sofort abstellen. »Damit die prekären Arbeitsbedingungen abgestellt werden, brauchen die studentischen Beschäftigten endlich den Schutz eines Tarifvertrages. Unter anderem müssen darin Mindestlaufzeiten für die Arbeitsverträge und faire Entgelte geregelt werden«, fordert Bühler.
Gegen die Tariflosigkeit regt sich unter den Studierenden seit geraumer Zeit Widerstand. Unter der Kampagne TV Stud haben sie sich bundesweit vernetzt und während der letzten Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder gestreikt. »Wir studentische Beschäftigte sorgen mit dafür, dass der Laden überhaupt läuft. Auch wir haben das Recht auf gute Arbeitsbedingungen und tarifliche Absicherung – ohne Ausnahme«, schrieben sie 2021 in einer Petition an die Tarifgemeinschaft der Länder. Darin forderten sie unter anderem existenzsichernde Löhne, jährliche Lohnerhöhungen und die demokratische Teilhabe für studentische Beschäftigte in Personalräten.
Die Studie mit dem Titel »Jung, akademisch, prekär?« wurde vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen erstellt. Die Forschenden befragten dafür 11 000 studentische Beschäftigte. Laut Verdi gibt es derzeit rund 200 000 studentische Beschäftigte in Deutschland. Eine genaue Zahl gibt es jedoch nicht, da die Hochschulen und Universitäten die Beschäftigten häufig unter Sachmitteln führen statt unter Personal. Bisher gibt es lediglich in Berlin einen Tarifvertrag für diese Angestelltengruppe. Dieser besteht seit 1980 und wurde zuletzt 2018 nach einer dreijährigen Tarifkampagne und 41 Streiktagen erneuert.
»Die Arbeitsbedingungen in Berlin sind deutlich besser«, sagte Bühler. So beträgt zum Beispiel in Berlin die durchschnittliche Laufzeit eines Arbeitsvertrages 14,1 Monate, während es in den übrigen Bundesländern im Schnitt lediglich 5,7 Monate und damit unter einem Semester sind. Auch hat Berlin als einziges Bundesland einen monatlichen Mindestumfang von 41 Stunden tarifvertraglich festgelegt.
Doch ist auch in der Hauptstadt nicht alles eitel Sonnenschein: Berliner Beschäftigte geben durchschnittlich um 3,6 Prozentpunkte häufiger als Beschäftigte aus anderen Bundesländern an, Überstunden zu leisten. »So sind zwar die Ergebnisse etwa in Berlin im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich besser, jedoch findet auch hier Unterwanderung von Arbeitnehmer*innenrechten statt, die neben der beschriebenen Furcht vor Konsequenzen und der Mehrfachabhängigkeit von Vorgesetzten und Nebenjob auf Selbstausbeutung hindeuten«, heißt es zudem in der Studie.
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