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Nichts wird wieder gut
Max Czollek über ein fatales Versöhnungstheater
Theaterkritik setzt sich mit dem gespielten Stück, mit der Inszenierung, den Darstellerinnen und Darstellern auseinander. Das Stück, das Max Czollek in seinem Buch »Versöhnungstheater« aufführt, ist ein historisches, politisches und auch ein jüdisches. Es handelt von Verdrängen, vom Erinnern und von der Umwendung von Schuld in »Wiedergutwerdung« – ohne eigentliche Wiedergutmachung durch gerechte Bestrafung der Täter und der Verantwortlichen für die Shoah. Nichts wird wieder gut, könnte man Czolleks Ansicht zusammenfassen.
Der historische Teil des Buches behandelt die unmittelbare Nachkriegszeit mit ihrer wirkungslosen »Entnazifizierung« in Westdeutschland, mit Amnestiegesetzen und mit der Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das viele NS-Täter in hohe und höchste Stellen in Verwaltung und Justiz zurückführte. Ein besonders markantes Beispiel dieser Haltung in der Adenauer-Zeit vermisst man allerdings im Buch des erst 1987 geborenen Autors: Der Westberliner Student Reinhard Strecker hatte vor über 60 Jahren auf Eigeninitiative und Kosten eine Ausstellung über belastete Nazi-Richter in Diensten der bundesdeutschen Justiz zusammengestellt, die international Aufsehen erregte. Er bereitete dann ein Buch über den Kanzleramtschef Hans Globke vor, den Verfasser-Kommentator der Nürnberger Rassegesetze von 1935. Gegen Strecker setzte Globke mit Wissen Adenauers den Bundesnachrichtendienst und den Verfassungsschutz ein, um ihn mundtot zu machen. In den Berichten eines Ausspähers wird Strecker als »Volljude« bezeichnet! Immerhin erhielt Strecker ein halbes Jahrhundert später das Bundesverdienstkreuz für seine alarmierende Aufklärung. Auch wenn man diese bezeichnende Episode in Czolleks Buch vermisst, ist seine Analyse der bleiernen Zeit weitgehend zutreffend.
Eine Zäsur bildete der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau. Von da an und mit den Nachfragen der 68er nach der Rolle ihrer Väter in der Nazizeit schlug nach Meinung von Czollek das Verdrängen allmählich in Erinnern um – allerdings leider auch in eine selbstgefällige Behauptung einer Versöhnung mit den Opfern oder deren Hinterbliebenen. Von »Versöhnungstheater« spricht der Autor. In seiner Long-Run-Produktion treten nach Willy Brandt auch die späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Frank-Walter Steinmeier sowie der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, auf.
Dass in der Bundesrepublik heute zirka 200 000 Juden leben, sei nicht als Ausdruck einer Versöhnung und neuen Normalität zu werten, so Czollek. Dazu würde vielmehr eine wirkliche politische und juristische Bekämpfung des militanten Rechtsextremismus gehören. Voraussetzung einer wahren Versöhnung wäre eine gleich nach Kriegsende zu erfolgende Dingfestmachung und konsequente Bestrafung der Mörder gewesen. Diese erfolgte nicht, und jetzt ist es zu spät hierfür, wie der groteske Prozess jüngst gegen eine fast hundertjährige ehemalige KZ-Sekretärin bezeugte – verurteilt nach Jugendstrafe. Für Czollek ein weiterer Akt im »Versöhnungstheater«, eine Farce.
Wichtig heute ist vor allem die Bannung der Gefahr einer Wiederholung. Dazu gehört stetiges Erinnern, ernsthafte historische Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen und Stärkung demokratischen Bewusstseins, mahnt Czollek.
Das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss mit halbherziger Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte oder die Potsdamer Garnisonkirche, in der sich 1933 Hitler und Hindenburg die Hand gaben, der Pakt zwischen Generalität und Aristokratie mit dem zu Deutschlands Kanzler gekürten österreichischen Gefreiten besiegelt worden ist, sind Zeichen einer eher unheilvollen, identitären Tradition als von universeller Geisteshaltung, für die der Autor Max Czollek steht. Ein bedenkenswertes Buch mit einer wichtigen Botschaft: Nie wieder!
Max Czollek: Versöhnungstheater. Hanser, 175 S., geb., 22 €.
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