Und dann stehst du erst mal da

Zwei junge Careleaver*innen im Gespräch über ihr Leben nach der Jugendhilfe

  • Anna Kücking
  • Lesedauer: 13 Min.
Nach der Jugendhilfe – Und dann stehst du erst mal da

Lee, Lucia, was bedeutet für Sie das Wort Careleaver*in?

Careleaver*innen
  • Die Gründe für eine Fremdunterbringung in der Jugendhilfe sind vielfältig und variieren je nach Fall. Nicht alle Care­leaver*innen haben den Kontakt zu ihren Herkunftsfamilien abgebrochen.
  • Eine direkte Verbindung von Armut und Fremdunterbringung gibt es nicht. Auffällig ist jedoch, dass sich die Betroffenen beziehungsweise ihre Herkunfts­familien nahe dem Existenzminimum bewegten: In 67 Prozent aller Fälle lebten die jungen Menschen selbst oder ihre Herkunftsfamilien vollständig oder teilweise von Transferleistungen.
  • In insgesamt 106 900 Fällen waren die Eltern der jungen Menschen, die 2021 in einem Heim oder einer Pflegefamilie aufwuchsen, alleinerziehend.
  • Bei vielen Careleaver*innen kommen zur Absicherung der Existenz im Übergang unterschiedliche Rechtskreise zum Tragen. Das bedeutet viel Bürokratie und ungeklärte Zuständigkeiten.
  • Wenn Leistungen nicht aufeinander abgestimmt sind und nicht rechtzeitig mit dem Übergang bewilligt werden, ist die Existenz von Careleaver*innen gefährdet und eine Wohnungsanmietung oft gar nicht möglich. Die wechselseitige Abhängigkeit von einzelnen Sozialleistungen ist ein großes Problem.
  • Elternunabhängiges Bafög würde es vielen Care­leaver*innen ersparen, retraumatisierende Erfahrungen mit ihren Herkunftsfamilien zu machen
  • Seit ein paar Jahren ist Leaving Care, nach jahrelanger Vernachlässigung, verstärkt ein Thema in der Wissenschaft und Politik.
  • Die Übergänge von jungen Geflüchteten, die zum Teil in der Jugendhilfe aufgewachsen sind, sind im Diskurs um Leaving Care bislang nicht ausreichend beachtet. Dabei brauchten sie, auch wegen ihrer komplexen aufenthaltsrechtlichen Situation, besondere Unterstützung.
  • Careleaver e.V.
    Hier unterstützen sich junge Menschen aus Einrichtungen der Kinder- und Jugend­hilfe und aus Pflegefamilien selbst auf dem Weg in die Selbstständigkeit.
    info@careleaver.de
    Beratung: 0 55 43/3 03 34 53
  • Cariboo
    Die Web-App Cariboo bietet eine digitale Erweiterung des Unterstützungsangebots der Jugendhilfe, um den Leaving-Care-Prozess zu erleichtern. Dort finden sich Checklisten für den Auszug, Frage-Antwort-Foren einer Community, Geschichten von anderen Careleaver*innen und Veranstaltungshinweise. https://cariboo-online.de
  • Brückensteine
    Auf der Website Brückensteine finden sich mehrere Projekte rund um das Thema Careleaving.
    www.brueckensteine.de
  • Am 18. Februar 2023 um 17 Uhr (Einlass 16.30 Uhr) lesen Lee, Lucia und andere aus Careleaving Storys in Berlin. Die Veranstaltung ist für alle offen.
    Kreuzberger Kinderstiftung Ratibor­­straße 14a, 10999 Berlin Der Eintritt ist kostenfrei. Anmeldungen bitte unter:
    kierek@kreuzberger-kinderstiftung.de akü

    Lee: Careleaver*innen sind junge Menschen, die eine Zeit in ihrem Leben in der stationären Jugendhilfe verbracht haben. Das kann eine Wohngruppe sein, eine Pflegefamilie oder ein SOS-Kinderdorf. Der Begriff Careleaver*in löst das super stigmatisierende Wort Heimkind ab und ist inklusiver, weil er auch Pflegekinder einschließt.

    Für Careleaver*innen gab es Anfang dieses Jahres etwas zu feiern, oder?

    Lee: Ja, die Kostenheranziehung wurde abgeschafft. Das war eine Regelung, dass junge Menschen in der Jugendhilfe 75 Prozent ihres Gehalts abgeben mussten. Das bezog sich auf Ausbildungsvergütung oder sogar Babysitting. Jetzt wurde das abgeschafft. Das ist super. So haben wir die gleichen Chancen wie Gleichaltrige, die ihr Geld ja auch nicht abgeben müssen.

    Sie haben eine Zeit Ihres Lebens in der Jugendhilfe verbracht. Können Sie kurz erzählen, wie es dazu kam und wie sich die ersten Monate dabei angefühlt haben?

    Lucia: Ich bin mit 16 in die Jugendhilfe gekommen, relativ spät. Wegen der Situation zu Hause hab ich mich schon drei Monate davor von Schlafplatz zu Schlafplatz gehangelt, bis die Mutter einer Freundin beim Jugendamt angerufen hat. Ich kam dann in eine Kinder- und Jugendkrisenwohnung. Da war ich vier Monate lang, bis ich in die Wohngruppe kam, in der ich bis zum 18. Geburtstag gelebt habe.

    War es ein Gefühl der Erleichterung, nicht mehr zu Hause zu sein?

    Lucia: Es war auf jeden Fall ein krasser Bruch in meinem Leben. Ich bin erst mal einen Monat nicht mehr zur Schule gegangen, und es gab eine relativ lange Zeit, in der nicht klar war, was mit mir passiert. Es war aber auch das Gefühl einer gewissen Sicherheit da. Man lebte in einem Mikrokosmos, mit intensiven Kurzzeitfreundschaften, während draußen alles durcheinanderging und geregelt werden musste, was mit mir passiert.

    Und wie war es bei Ihnen, Lee?

    Lee: Ich bin mit 15 in die Jugendhilfe gekommen, weil ich von zu Hause weggelaufen bin. Ich war erst mal bei einer Freundin, bin von da zum Jugendamt gegangen und habe gesagt, dass ich nicht mehr zu Hause sein möchte. Das Jugendamt wusste schon lange Bescheid, dass es bei mir nicht gut läuft. Aber sie hatten meine Akte verloren. Dort hab ich dann meine Pflegemutter kennengelernt. Sie war eigentlich meine Jugendhelferin, aber weil es keinen Platz in einer Familie gab, bin ich zu ihr gezogen.

    Wenn man die Jugendhilfe wieder verlässt, steht man erst mal wieder allein da. Was waren und sind die Herausforderungen in dieser Zeit?

    Lucia: Ich glaube, es kommt immer auf die Situation an, in der man ausgezogen ist. Bei mir war das vor über zehn Jahren. Da war es noch so, dass man mit dem 18. Geburtstag ausziehen musste. Auch ich war einen Tag nach meinem 18. Geburtstag in meiner eigenen Wohnung und war plötzlich wieder abhängig von meinen Eltern. Ich hatte zwar noch drei Monate eine ambulante Nachbetreuung, die wurde aber nicht verlängert. Obwohl ich das eigentlich gebraucht hätte. Es gab viele Herausforderungen: Wie finanziere ich mich? Wie komme ich damit klar, dass ich mich wieder allein darum kümmern muss, dass meine Eltern den Unterhalt bezahlen? Gleichzeitig einen Haushalt führen, in der Schule sein, Abitur machen. Überlegen, was mache ich mit meinem Leben, wohin geht es für mich nach dem Abschluss.

    Wie ist es für Sie, Lee? Sie sind ja noch sehr nah dran.

    Lee: Als ich den Brief bekommen habe, habe ich gesagt, dass ich das noch nicht kann. Dann war ich mit 19 bereit auszuziehen, habe aber keine Unterstützung bekommen. Es hat zwei Jahre gedauert, eine Wohnung zu finden. Die größte Herausforderung war, eine Wohnung zu finden, für die ich keine Bürgschaft brauche, wo niemand fragt, was mit meinen Eltern ist.

    Nicht nur bei der Wohnungssuche oder bei der Kostenheranziehung, auch in vielen anderen Bereichen besteht eine große Chancenungleichheit für Careleaver*innen im Vergleich zu Gleichaltrigen. Was sind das für Unterschiede?

    Lucia: Der größte Unterschied ist, dass wir keine Eltern haben. Das hab ich auch wieder Weihnachten gemerkt, als ich bei der Familie meiner Freundin war. Die Kinder sind jetzt auch um die 30 und bekommen Küchengeräte geschenkt oder finanziellen Support. Wenn es ihnen am Anfang in der Ausbildung oder im Studium mal nicht gut geht und sie merken, das war doch nichts, dann können sie auch wieder zurückziehen. Sie haben eine Option von Halt. Deswegen ist ein Thema für uns auch elternunabhängiges Bafög, das es nicht gibt. Wenn die Eltern zu viel verdienen, musst du von den Eltern den Unterhalt bekommen. Und wenn die den nicht zahlen, bist du gezwungen, deine Eltern zu verklagen. Du musst entscheiden, ob du das willst oder nicht, ob du es kannst oder nicht.

    Kennen Sie Menschen, die ihre Eltern verklagt haben?

    Lee: Ich kenne Leute, die sich nicht einmal getraut haben, ihre Eltern nach Unterhalt zu fragen, und dann in drei Jobs gearbeitet haben, bis sie sich ein Studium oder eine Ausbildung finanzieren konnten. Sie wussten, dass sie mit der Ausbildung nicht genug Geld verdienen, um davon leben zu können. Ich kenne auch Leute, die ihre Eltern verklagen mussten. Viele bekommen aber auch Bafög, weil es sehr viele Familien gibt, die es sich finanziell nicht leisten konnten, sich um ihre Kinder zu kümmern.

    Lucia: Ja, ich glaube, die Mehrheit hat den Anspruch, weil die Familien arm sind. Ich habe damals mit vielen darüber gesprochen, die ihre Eltern verklagt haben. Die haben gesagt, es ist ein langer und schwieriger Prozess. Deswegen habe ich mir meinen Unterhalt nicht eingeklagt, aber auch nicht regelmäßig etwas bekommen. Das hat mich finanziell ziemlich ruiniert in der Zeit.

    Gab es für Sie in der Jugendhilfe Momente von Familiarität, so wie man sich Familie idealerweise – mit Vertrautheit, Wärme und Unterstützung – vorstellt?

    Lee: Ich glaube, wenn man viel Glück hat mit der Unterbringung, dann gibt es das bestimmt. Ich kenne das Gefühl erst, seit ich mich im Careleaving-Kontext bewege. Und das sind keine Menschen, zu denen ich in der Zeit in der Pflegefamilie schon Kontakt hatte, sondern erst danach, also als ich wusste, es gibt da eine Community.

    Lucia: Man hat ja in der Jugendhilfe künstliche Beziehungen, die bleiben nicht. Sie sind zeitlich und emotional begrenzt. Bei mir waren es eher Online-Communitys; die haben mir ein Familiengefühl gegeben. Diese fremden Menschen aus dem Internet, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich.

    Lucia, Sie arbeiten heute als Diversity-Trainerin. Haben die Erfahrungen in der Jugendhilfe und darüber hinaus Ihre Vorstellungen von Vielfalt geprägt?

    Lucia: Ich bin von vornhinein nicht in einer Familie aufgewachsen, wo Vielfalt ein Thema war. Es ging viel darum, dass man auf eine bestimmte Weise zu sein hat. Ich glaube, eher die Erfahrung, dass ich nie so war und dass ich mich nicht anpassen konnte, hat bei mir früh ausgelöst, dass ich Dinge hinterfragt habe. Die Erfahrung in der Jugendhilfe hat auf jeden Fall mein Bewusstsein für Ungerechtigkeit geschärft. Auch die Einblicke in verschiedenste soziale Herkünfte. Es hat mir gezeigt, wie unterschiedlich Menschen aufgrund bestimmter Merkmale behandelt werden. Ich glaube, daraus hat sich eine starke Motivation entwickelt, Aufklärungsarbeit zu leisten. Vor allem die Menschen zu empowern, die benachteiligt werden.

    Sie haben ein großartiges Heft herausgegeben: »Careleaving Storys«. Es sammelt unterschiedliche Geschichten von Careleaver*innen. Was waren Ihre Erfahrungen in dem Prozess?

    Lee: Ich habe gemerkt, dass Menschen total dankbar sind, wenn man sie darum bittet, ihre Geschichte selbst zu erzählen. Auch dass wir innerhalb von zwei Wochen über 300 Hefte verschickt haben, zeigt, wie wichtig das Thema ist.

    Lucia: Ich habe gemerkt, wie unterschiedlich die Geschichten sein können, wie viele verschiedene Lebensrealitäten es unter Careleaver*innen gibt und wie viel man trotzdem gemeinsam hat. Und dass das Erzählen der eigenen Geschichte etwas Verbindendes hat. Das ist für mich die größte Kraft von Careleaving Storys.

    In den letzten Jahren mischen Careleaver*innen den Bereich Jugendhilfe selbst auf. Unter dem Titel »Careleaver Revolte« hat eine Gruppe eine Petition gestartet, in der sie zwölf Forderungen an die Politik stellen.

    Lee: Ja, das sind Menschen, die wir kennen und die wie wir ein Fellowship der Initiative Brückensteine hatten. Mit denen haben wir viel Zeit verbracht, die machen tolle Arbeit. Die wichtigste Forderung ist meiner Meinung nach der Rechtsstatus Careleaver*in. Den gibt es in Großbritannien schon. Da kann man beispielsweise an der Universität ankreuzen, dass man Careleaver*in ist, bekommt Stipendien angeboten, hat bessere Chancen bei staatlichen Hilfen oder eine andere Stellung gegenüber dem Staat.

    Lee, Sie studieren Kunst. Wie fühlt es sich an, an der Uni zu sein?

    Lee: Einerseits ist es toll, es an die Uni geschafft zu haben, weil das nicht viele Leute aus meiner Familie geschafft haben. Anderseits fühle ich mich immer so ein bisschen wie ein Alien. Aber ich bin gerade auf einem ganz guten Weg, mich zurechtzufinden.

    Wie war es für Sie, Lucia?

    Lucia: Ich habe auf jeden Fall versucht, mich anzupassen, und niemandem erzählt, dass ich in der Jugendhilfe gelebt habe. Wenn, war es immer komisch. Ich habe mich immer anders gefühlt als Gleichaltrige, weil ich in einer ganz anderen Welt gelebt habe.

    Und warum haben Sie selten geteilt, dass Sie in der Jugendhilfe aufgewachsen sind? Hat das etwas mit dem Begriff Heimkind zu tun?

    Lucia: Ich glaube nicht, dass mich der Begriff bewusst geprägt hat. Aber natürlich bin auch ich mit diesen Vorurteilen in die Jugendhilfe gegangen und hatte das Gefühl, ich muss mich anpassen. Wenn ich meine Geschichte erzählt habe, haben die Leute oft mit offenem Mund dagestanden oder sich unwohl gefühlt. Ich selbst komme ja nicht vorbei an dieser Erfahrung oder an meinem Aufwachsen. Ich konnte es aber auch nicht offen sagen, weil dadurch eine Betroffenheit entstanden ist, die ich gar nicht erzeugen wollte. Für mich ist das mein Leben, von dem ich etwas erzählen möchte. Aber wenn man seine Identität verschweigt oder verschweigen muss, verliert man den Kontakt zu sich.

    Wie ist das für Sie, Lee?

    Lee: Ich weiß es nicht genau. Ich gehe offen damit um, in meinem Aktivismus oder meiner Arbeit, die ich mit Fachkräften mache. Aber wenn ich neue Leute kennenlerne, ist es für mich etwas, wo ich nicht weiß: Soll ich es erzählen? Oder soll ich mir eine Lüge ausdenken, wenn ich gefragt werde, was ich Weihnachten oder an meinem Geburtstag gemacht habe? Es ist sehr unterschiedlich bei mir, wie ich mit dem Thema umgehe. Ich glaube, dass es mir hilft, früh in eine Community gekommen zu sein, dass ich darüber spreche und mich vernetze.

    Jetzt sprechen Sie darüber. Damit wird die Lebensrealität von Careleaver*innen sichtbarer. Aber es gibt auch viele Geschichten, die unsichtbar sind.

    Lucia: Sich mit dieser Geschichte sichtbar zu machen, ist total schwer. Ich habe lange überlegt, ob ich es machen will und was es für mich bedeutet. Ob es meine Arbeit beeinträchtigt, indem ich weniger ernst genommen werde oder mir weniger zugetraut wird. Das erfahren Careleaver*innen oft. Man wird abgestempelt, man müsse ja gestört sein. Dass unsere Geschichten so ausgegangen sind, ist nicht selbstverständlich. Wir hätten genauso gut auf der Straße landen können. Die Behauptung, wer stark ist, schafft es, ist einfach Quatsch. Es gibt die, die obdachlos werden oder nicht überleben. In prekäre Lebenssituationen rutschen oder in Süchte.

    Formen des gemeinsamen Erinnern sind oft rar in der Jugendhilfe. Man verlässt die Familie, wechselt Wohngruppen oder Pflegefamilien. Welche Rolle spielt Erinnerung oder die Abwesenheit von Erinnerung für Sie?

    Lee: Also ich kann mich ohne Fotos oder Aufzeichnungen oft nicht mal an die letzte Woche erinnern. Deswegen ist es schon hart, viele Dinge über mein Leben einfach nicht zu wissen. Meine Pflegemutter hat ihre Erinnerungen an den Entwicklungen ihres leiblichen Sohnes gemessen. Ich habe so etwas nicht. Momente, wo jemand sagt: Weißt du noch, 2002, da hast du gerade Laufen gelernt? Ich hab schon lange überlegt, wie ich damit umgehe und wie ich doch noch an Geschichten über meine Familie oder mein Leben komme, weil es schon komisch ist, so abgeschnitten davon zu sein.

    Lucia: Für mich sind Erinnerungen Kisten, wo man nicht zu 100 Prozent weiß: Will ich die aufmachen? Was kommt da vielleicht noch mit raus? Oft sind es Erinnerungen, vor denen ich mich schützen muss. Das macht es einerseits schwierig. Anderseits bin ich immer mal wieder auf der Suche und hänge an jedem kleinen Ding, was ich noch von früher habe. Auch meine Tagebücher, die ich aufbewahre, sind wichtig. Sie sind der Beweis für mein Leben und für mein Erleben.

    Findet ein gemeinsames Erinnern in den Careleaving-Communitys statt, in denen Sie heute sind?

    Lee: Ja, es findet viel Austausch statt. Auch, um Gemeinsamkeiten zu finden und ein Community-Gefühl entstehen zu lassen. Was ich aber auch merke: Dadurch, dass viele von uns eine schlimme oder eher gar keine Kindheit hatten, versuchen wir oft als Gruppe etwas nachzuholen. Wenn man mit dem Kinder-und-Jugendhilfe-Rechtsverein Dresden unterwegs ist, machen sie am Ende oft ein Gruppenfoto. Das wird vor Ort ausgedruckt und uns mitgegeben. Das ist die schönste Geste, die man für sich für Menschen wie uns ausdenken kann, finde ich.

    Sie fragen auch, ob es Dinge gibt, die wir im Alltag nicht machen können. Dann wird Geld zusammengenommen und gesagt: »Okay, wir fahren jetzt in ein Hotel, und das hat einen Pool.« Das war für alle ein riesiger Glücksmoment. Alle waren voll happy darüber, das erleben zu können. Ich glaube, dass das so die wichtigsten Momente sind. Wir können Sachen nachholen, neue Erinnerungen schaffen.

    Dann zuletzt im Sinne der Verbindung: Was würden Sie anderen Careleaver*innen mitgeben?

    Lucia: Nicht aufgeben. Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass nach jedem Tief auch wieder ein Hoch kommt. Und das Zweite ist, sich bewusst zu machen: Ich darf hier sein. Ich habe Rechte als Careleaverin und genauso ein Recht auf ein gutes und sicheres Leben wie jede andere auch.

    Lee: Ich würde auch sagen, das Positive daran, staatlich untergebracht zu sein, ist, dass man Rechte hat.

    Es ist wichtig, darauf zu beharren und etwas zu tun, wenn sie nicht eingehalten werden. Es gibt viele Stellen, an die man sich wenden kann. Abseits davon ist ein Supportsystem wichtig und zu schauen, wer einem wobei helfen kann. Es gibt immer einen Ausweg, aus allem.

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