Provozierte Missverständnisse

Genau hinhören bei Friedrich Merz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

Joe Chialo ist ein sympathischer Typ mit gewinnendem Lächeln und angenehmer Stimme. So einer kann bei Einwandererfamilien gut Wetter machen für die CDU. Friedrich Merz ist das nicht, hat das nicht und kann das nicht. Er hat vor seinem Comeback in der Politik den Anschluss verpasst und muss sich fragen, bei wem er punkten will: Bei Rechten oder in der Mitte der Gesellschaft?

Weil diese Frage nicht eindeutig beantwortet ist, geht sein Wahlkampfauftritt am Freitagabend in Neukölln daneben. Merz bezeichnet sich als liberalen Konservativen – und so falsch ist diese Selbsteinschätzung gar nicht mal. Man muss fair bleiben und ihm genau und bis zu Ende zuhören. Dann wünscht er sich eine »herzlichste Willkommenskultur«, freilich im Interesse der Firmen, die nach einwandernden Fachkräften gieren. Auch das Asylrecht ist Merz zumindest im Kern noch heilig. Allerdings will er Menschen abschieben, die aus seiner Sicht die falschen Fluchtgründe hatten. Merz ist kein absolut fieser Finsterling. Er wird zuweilen missgedeutet – von der politischen Konkurrenz sicher auch absichtlich.

Er bemüht sich aber nicht sonderlich, Missverständnisse von vornherein auszuschließen. Da muss die Frage erlaubt sein, ob er das absichtlich tut, um nebenbei im Trüben zu fischen. Laviert er mit Bedacht, bleibt er vage, um der AfD Stimmen abzujagen, ohne dabei die Stimmen aus der Mitte zu verlieren? Wähler durch ehrliche Überzeugungsarbeit ins demokratische Lager zurückzuholen ist in Ordnung und sogar verdienstvoll. Anbiederung an dumpfe Parolen ist nicht in Ordnung und schädlich.

Im Bund und in Berlin liegt die CDU in den Meinungsumfragen momentan vorn. Die Partei und Merz sind deshalb mit sich zufrieden. Doch sie sollten selbstkritisch ihren Kurs überprüfen.

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