»Geierfonds« zerrt Kuba vor Londoner Gericht
Urteil zu Altschulden könnte milliardenschwere Folgen für Havanna haben
Dem krisengebeutelten Kuba droht ein finanzieller Tiefschlag. Vor dem Obersten Gericht in London findet in diesen Tagen ein Prozess statt um einen Teil der Altschulden Kubas, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen. Verliert Kuba, könnte dies das Land Milliarden an überfälligen Zahlungen kosten – und im schlimmsten Fall zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten im Besitz der Regierung führen, wie Öltankern oder eingehenden Überweisungen.
Der 2009 auf den Kaimaninseln gegründete Private-Equity-Fonds CRF I Limited hat Kuba und die Nationalbank von Kuba (BNC) verklagt und fordert die Zahlung von rund 72 Millionen US-Dollar für zwei Darlehen und überfällige Zinsen, die dem Inselstaat in den 1980er Jahren gewährt wurden. Nachdem eine außergerichtliche Einigung 2018 nicht zustande kam, landete der Fall nun vor dem höchsten britischen Gericht. Die Zentralbank von Kuba (BCC) erklärte, dass sie CRF I nicht als Gläubiger anerkennt. In einer vor dem Prozessauftakt veröffentlichten Erklärung hatte Kubas Zentralbank CRF I als »Geierfonds« bezeichnet und darauf hingewiesen, dass die Schuldnerin BNC nicht mehr als Zentralbank fungiere.
Die BCC wurde 1997 gegründet, um viele der Funktionen der BNC zu übernehmen. »Seitdem ist der BNC nicht mehr befugt, im Namen der kubanischen Regierung zu handeln. Ebenso wenig kann sie die Abtretung von Staatsschulden ohne vorherige Genehmigung des Ministeriums für Finanzen und Preise und des Ministerrats genehmigen, da die BNC unter keinen Umständen die Abtretung von staatlichen Garantien (Staatsgarantien) genehmigen kann«, heißt es.
Der Fonds habe die kubanischen Schulden nicht rechtmäßig erworben, erklärte Zentralbank-Präsidentin Joscelín Río Álvarez am Mittwoch vor dem Londoner Gericht. Rio argumentierte, dass CRF I nicht als Gläubiger bei der BNC eingetragen sei, sondern nur als Antragsteller. Eine Änderung dieses Status, die am 25. November 2019 vom damaligen Director of Operations der BNC, Raul Olivera Lozano, genehmigt wurde, sei ungültig. Olivera, der per Videoschalte ebenfalls aussagte, sitzt in Kuba im Gefängnis, weil er mutmaßlich von Vertretern des Fonds Bestechungsgelder angenommen und gegen Verfahren verstoßen hat. In seinen Erklärungen behauptete Olivera, dass der CRF-I-Berater Jeetkumar Gordhandas ihm Geld angeboten habe, damit er der Übertragung der Titel zustimmt, was er vorschriftswidrig ohne Rücksprache mit der kubanischen Regierung machte.
CRF I dagegen argumentiert, dass die Abtretung der vertraglichen Rechte an den 72 Millionen US-Dollar Schulden, die zuvor von der ICBC Standard Bank, einer britischen Tochtergesellschaft der chinesischen Bank ICBC, verwaltet wurden, rechtmäßig war und dass die Anschuldigungen gegen Olivera und andere zu Haftstrafen verurteilte Kollegen »ein vom kubanischen Staat erfundener Vorwand« sind, »um sich seinen Verpflichtungen zu entziehen«. In seiner Aussage vor Gericht bestätigte Gordhandas, dass er die BNC gebeten hat, CRF als Gläubiger der kubanischen Staatsschulden anzuerkennen, und zwar »zu dem einzigen Zweck, die vorliegende Klage zu erheben, um die Zahlung zu erzwingen«, wie die spanische Nachrichtenagentur Efe berichtet.
Investoren wie CRF I kaufen in der Regel Schulden-Portfolios zum Schleuderpreis auf und verklagen dann den Schuldner vor internationalen Gerichten auf Zahlung des vollen Betrags. Wenn es gut läuft, sind das sehr profitable Geschäfte. CRF I versichert, kein Geierfonds zu sein und weist darauf hin, dass man jahrelang versucht habe, mit Kuba über eine Umstrukturierung seiner Schulden zu verhandeln, ohne eine Antwort zu erhalten. Man sei weiter offen für Gespräche.
In dem Londoner Gerichtsprozess soll nun zunächst festgestellt werden, ob CRF ein rechtmäßiger Gläubiger ist oder nicht. Danach kann dann in einem gesonderten Verfahren über eine Rückzahlung entschieden werden. Die Schlussplädoyers sind für den 1. und 2. Februar geplant.
Der Fall wird von anderen Gläubigern genau beobachtet, die versuchen, Schulden im Wert von insgesamt sieben Milliarden US-Dollar von Havanna zurückzuerhalten. Im Sommer 2021 einigte sich die kubanische Regierung mit dem Pariser Club staatlicher Gläubiger auf einen Zahlungsaufschub. Kuba hatte wegen der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Krise und der Verschärfung der US-Blockade seine Schulden nicht mehr bedienen können. Im Jahr 2015 hatte die Insel ein historisches Abkommen mit dem Pariser Club unterzeichnet, das 8,5 Milliarden US-Dollar einer Gesamtschuld von 11,1 Milliarden US-Dollar erließ, mit der Verpflichtung, den Restbetrag in Raten bis 2023 zu zahlen. Mit seinen kommerziellen Gläubigern im sogenannten Londoner Club aber hat Kuba keine Einigung erreicht und bleibt deswegen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen. Havanna meldete zuletzt 2017 Auslandsschulden in Höhe von 17,8 Milliarden US-Dollar. Experten gehen davon aus, dass sie seither deutlich gestiegen sind.
Sollte CRF I mit seiner Klage erfolgreich sein, könnte dies dazu führen, dass viele andere Gläubiger Klage erheben, deren Forderungen in die Milliarden gehen. Eine Niederlage vor Gericht könnte für das ohnehin in einer schweren Zahlungskrise steckende Kuba also sehr teuer werden.
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