- Politik
- Solidaritätszuschlag
Das Soli-Urteil ist eine Niederlage für Lindner
Bundesfinanzhof hält Solidaritätszuschlag für verfassungskonform
Beim Bundesfinanzministerium war man am Montag schmallippig. Man nehme das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Kenntnis, hieß es aus dem von FDP-Chef Christian Lindner geleiteten Ministerium. Das oberste Finanzgericht hatte nämlich entschieden, dass der Solidaritätszuschlag nicht verfassungswidrig ist. Ein Ehepaar aus Aschaffenburg hatte mit Unterstützung des Lobbyvereins »Bund der Steuerzahler« gegen die Entrichtung der Abgabe in den Jahren 2020 und 2021 geklagt.
Zuletzt nahm der Staat rund elf Milliarden mit dem »Soli« ein. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof in München führte auch zu Streit in der Regierung. Denn Lindner unterließ es aus politischen Gründen, den Zuschlag von seinem Ministerium verteidigen zu lassen. »Wir finden es gerecht und notwendig, dass die höchsten Einkommen den Soli weiter bezahlen«, verteidigte hingegen der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, vor der Urteilsverkündung im RBB24-Inforadio die Abgabe. »Es ist gut, dass der Soli weiterhin erhoben wird. Es wäre absurd gewesen, die reichsten zehn Prozent des Landes zu entlasten«, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch.
»Das Urteil wird den Finanzminister ärgern, der mit seiner Partei den Soli streichen will«, kommentierte der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Christian Görke, den Spruch der Richter*innen. Die Kuh sei aber noch nicht vom Eis, da das Bundesverfassungsgericht die endgültige Entscheidung fälle. Denn im Sommer 2020 hatte die FDP in Karlsruhe Klage gegen den »Soli« eingereicht. »Bei der Einführung des Solidaritätszuschlags ging es um die Deutsche Einheit und deren gerechte Finanzierung. Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpaktes muss der Soli weg – für alle, ohne Ausnahme«, forderte damals der jetzige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst 1991 eingeführt. Damit wollte die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) die finanziellen Auswirkungen des Golfkriegs und die Kosten der Wiedervereinigung finanzieren. Der derzeit geltende »Soli« wird seit dem Jahr 1995 erhoben. Zunächst betrug er 7,5 Prozent, ab 1998 5,5 Prozent der festgesetzten Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Er war zunächst an den Solidarpakt I, später an den Solidarpakt II gebunden.
Da der Solidarpakt II im Jahr 2019 ausfiel, argumentieren die Gegner des Zuschlags, dass dieser keine Grundlage mehr habe. Gleichzeitig kritisieren sie, dass seit 2021 nur noch Gutverdienende den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. So müssen lediglich Singles ab einem Jahreseinkommen von 62 603 Euro und Ehepaare ab einem Einkommen von 125 206 Euro den »Soli« entrichten. Der volle Zuschlag wird zudem erst ab einem Einkommen von 96 280 beziehungsweise 193 641 Euro fällig. Folglich entfällt dadurch die Abgabe für rund 90 Prozent der Einkommenspflichtigen.
»Beim Solidaritätszuschlag handelte es sich in den Jahren 2020 und 2021 um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe«, teilte nun der Bundesfinanzhof mit. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 habe der Zuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag bestehe nicht.
»Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes«, so das Gericht. Zudem sieht es der Bundesfinanzhof als gerechtfertigt an, dass nur noch Spitzenverdienende den Soli entrichten müssen: »Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig.« Daher könne der Gesetzgeber auch beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstelle, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken.
Das Urteil fällt in eine Zeit, in der wieder höhere Steuern für Reiche und Spitzenverdienende im Gespräch sind. So schlugen die sogenannten Wirtschaftsweisen jüngst einen »Energiesoli« für Spitzenverdienende zur Finanzierung der Kosten der Energiepreiskrise vor. »Ökonomisch wäre es eine Farce, den Soli abzuschaffen. Das wäre die größte Steuersenkung seit Jahrzehnten, die allein in den Taschen der obersten zehn Prozent, zu mehr als der Hälfte sogar in den Taschen des obersten einen Prozents landen würde«, erklärte Linke-Politiker Görke. Auch für Grünen-Fraktionsvize Audretsch passen Steuersenkungen für die Reichsten nicht in die Zeit: »Angesichts des Krieges in der Ukraine, der fossilen Energiekrise und der Klimakrise müssen wir in den kommenden Jahren massiv in soziale Gerechtigkeit und die grüne Transformation, in gute Jobs und den Wohlstand der Zukunft investieren.« All das müsse finanziert werden.
Beim Bundesfinanzministerium achtet man offenbar nicht so sehr auf die Finanzlage. Unabhängig von Rechtsfragen werde die Abgabe innerhalb der Koalition bekanntlich politisch und ökonomisch unterschiedlich bewertet, hieß es aus Lindners Ministerium. »Aus Sicht des Bundesfinanzministers wäre ihre Abschaffung ein Beitrag zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und der Glaubwürdigkeit politischer Zusagen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.