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- Diskriminierung durch Kopftuchverbot
Kopftuchverbot diskriminiert Lehrerinnen: Gesetzesänderung nötig
Nach der gescheiterten Verfassungsbeschwerde muss Berlin das Neutralitätsgesetz revidieren: Ein pauschales Kopftuchverbot ist diskriminierend
Es ist ein Nicht-Beschluss, der den jahrelangen Streit um das Berliner Neutralitätsgesetz beenden könnte. Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht öffentlich verkündet, eine Beschwerde des Landes Berlin gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts »ohne Begründung nicht zur Entscheidung« anzunehmen. Damit bestätigt Karlsruhe ein Urteil des Erfurter Gerichts von 2020, das ein generelleres Kopftuchverbot für Lehrkräfte für grundrechtswidrig erklärte.
Eine Schlappe für die Berliner SPD: Sie hält seit Jahren an dem 2005 beschlossenen Kopftuchverbot fest. Der Paragraf 2 des Neutralitätsgesetzes verbietet Pädagog*innen an staatlichen Schulen das Tragen religiöser Symbole bei der Arbeit. Tatsächlich betroffen sind von dieser Regelung hauptsächlich muslimische Frauen, die mit Kopftuch unterrichten wollen. Bis heute können sie ausschließlich an Berufsschulen arbeiten, die von dem Neutralitätsgesetz ausgenommen sind – trotz mehrerer Urteile, die darin eine unzulässige Diskriminierung erkennen.
Bereits 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht: »Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen ist mit der Verfassung nicht vereinbar.« Eine ausgebildete Lehrerin wandte sich wegen ihrer Nicht-Einstellung daraufhin an das Landesarbeitsgericht und bekam Recht. Das Land Berlin ging in Revision, der Fall vor das Bundesarbeitsgericht. Das bestätigte 2020 der Klägerin, dass sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden war und sprach ihr eine Entschädigung von 5159 Euro zu. Eigentlich Grundlage genug, um das Berliner Gesetz zu verändern. Stattdessen reichte die damalige SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres im Februar 2021 eine Verfassungsbeschwerde ein.
Fast zwei Jahre später ist diese Beschwerde nun gescheitert. Elif Eralp, die antidiskriminierungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, freut sich. »Ich habe genau diese Entscheidung erwartet. Nur weil ich einen Gegenstand an meinem Körper trage, heißt das nicht, dass sich die Schule eine Ideologie zu eigen macht«, begründet sie gegenüber »nd« ihre Haltung. Natürlich dürften Schulen keine Orte ideologischer Einflussnahme sein – doch ein Kopftuch sei noch keine Indoktrination.
Eralp erzählt, dass sie 2015 und 2016 zur Zeit der großen Fluchtbewegung viele Frauen traf, die in ihren Herkunftsländern als Lehrerinnen gearbeitet hatten. In Berlin konnten sie ihren Beruf nicht weiter ausüben, weil sie Kopftuch trugen. »Die hatten einfach keine Chance, die haben dann eine kaufmännische Ausbildung gemacht, obwohl es hier einen krassen Lehrkräftemangel gibt.« Dass die Bildungsverwaltung nach 2020 noch an der Regelung festhält, bewertet Eralp als rechtswidrig.
Nun sei es höchste Zeit, das Gesetz zu ändern. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und Linke sich darauf verständigt, das Kopftuchverbot zu revidieren, sobald eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt. »Und die liegt jetzt vor«, so Eralp. »Es muss also sofort umgesetzt werden.« Schon vor der Wahl könne der Entwurf zumindest vorbereitet werden. »Das wäre kein großer Aufwand, eigentlich muss man nur den Paragrafen 2 streichen.«
Auch die links-geführte Justizverwaltung unter Senatorin Lena Kreck drängt auf eine schnelle Gesetzesanpassung. »Ein pauschales Kopftuchverbot für Pädagoginnen wird es in Berlin in Zukunft nicht mehr geben«, erklärte Kreck am Donnerstag. »Auch die anderen im Neutralitätsgesetz geregelten Bereiche werden überprüft werden müssen.« Die Bildungsverwaltung unter SPD-Senatorin Astrid-Sabine Busse äußerte sich verhaltener: »Das Bundesverfassungsgericht hat die Berliner Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, das nehmen wir zur Kenntnis und das respektieren wir«, sagte ein Sprecher. Welches Haus am Ende für das in der Koalition vereinbarte Verfahren zuständig ist, muss laut Elif Eralp noch geklärt werden.
Für Zeynep Çetin handelt es sich bei dem Paragrafen 2 schlicht um ein Berufsverbot. Die Berliner Rechtsanwältin engagiert sich in dem Bündnis #GegenBerufsverbot und hat seit 2020 rund zehn Beschwerdeverfahren von betroffenen Referendar*innen und Quereinsteiger*innen geführt. In den meisten Fällen würden die Kläger*innen zwar entschädigt, die erlittene Diskriminierung ihnen also zugestanden – eingestellt wurden sie dennoch nicht. »Damit werden Existenzen zerstört«, sagt Çetin zu »nd«. Neben den Betroffenen, die vor Gericht ziehen, geht Çetin von einer großen Anzahl an Frauen aus, die ihr Leben an das Neutralitätsgesetz anpassen müssten. »Es muss eine hohe Dunkelziffer geben an Frauen, die sich gar nicht aufs Referendariat bewerben, in andere Bundesländer ziehen oder überhaupt nicht diesen Berufsweg einschlagen.«
Çetin berichtet von einem ihrer Fälle, der die Absurdität der aktuellen Gesetzeslage vor Augen führt: Ihre Mandantin arbeitete als Quereinsteigerin im berufsbegleitenden Referendariat an einer Berliner Schule. Eineinhalb Jahre trug sie ein Tuch als Turban um den Kopf gewickelt und erklärte auf Nachfragen durch Kolleg*innen von der religiösen Bedeutung ihrer Kopfbedeckung. Alles kein Problem – bis sie begann, das Tuch auch um den Hals zu legen. »Das war dann plötzlich ein Drama für die Schulleitung.« Çetin klagte im Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung, ihre Mandatin habe dann auf eigenen Wunsch zu einer anderen Schule gewechselt – und dort wieder ihren Turban getragen.
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