Flaute beim Bau

Brandenburger Finanzministerium verlängert Preisgleitklauseln gegen steigende Materialpreise

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Moment sind die Benzinpreise in Berlin und Brandenburg so hoch wie nirgendwo sonst in Deutschland. Für den Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke) liegt die Ursache auf der Hand. Nachdem sich die Bundesrepublik zu Jahresbeginn für einen Stopp bei der Einfuhr russischen Erdöls entschieden hat, ist die PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark) nicht mehr voll ausgelastet.

Was die Autofahrer an den Tankstellen erleben, kennen Heimwerker aus dem Baumarkt. Wegen gestörter Lieferketten sind die Preise für Holz und anderes Material bereits während der Corona-Pandemie explodiert. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar vergangenen Jahres wurde alles noch schlimmer: Baustahl, Aluminium und Kunststoffrohre sind erheblich teurer geworden, auch Bitumen – nicht zufällig ein Nebenprodukt der Kraftstoffherstellung in der PCK-Raffinerie. Deutschland bezog einen erheblichen Anteil der Rohstoffe aus Russland, Belarus und der Ukraine. Diese seien jetzt erheblich schwerer zu beschaffen, wie das Potsdamer Finanzministerium erklärt.

Preise und Kosten
  • Der Liter Benzin Super kostete Ende Januar in Brandenburg durchschnittlich 1,87 Euro, in ganz Deutschland dagegen etwa 1,75 Euro.
  • Während das Statistische Landesamt für Brandenburgs Hochbau im November ein Auftragsminus von 59,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ermittelte, gab es im Tiefbau ein Auftragsplus von 14,3 Prozent. Der Umsatz der Bauunternehmen stieg preisbedingt um 15,3 Prozent.
  • Seit 1991 investierte das Land Brandenburg rund 4,27 Milliarden Euro in Hochbaumaßnahmen. Dazu kamen noch Bauvorhaben des Bundes im Umfang von 2,3 Milliarden Euro.
  • Die Fachgemeinschaft Bau Berlin-­Bran­den­burg vertritt die Interessen von rund 900 Mitgliedern.
  • In Brandenburg gab es im Juni vergangenen Jahres 5220 Baubetriebe und damit 289 Betriebe mehr als im Vorjahr. Diese Betriebe beschäftigten insgesamt 37 695 Mitarbeiter. Das waren 1,3 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.
  • 66,6 Prozent der märkischen Baubetriebe hatten weniger als fünf Beschäf­tigte und 93 Prozent weniger als 20.
  • Zusammen machten Brandenburgs Baufirmen im Kalenderjahr 2021 rund 5,8 Milliarden Euro Umsatz – 5,9 Prozent weniger als im Jahr 2020. af

    Baufirmen können öffentliche Aufträge deshalb nun oft nicht zu den ursprünglich vereinbarten Preisen erledigen, die zusätzlichen Kosten sind schlichtweg zu hoch. Darum hatte das Finanzministerium dem Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen bereits im April vergangenen Jahres erlaubt, neue Verträge mit Preisgleitklauseln zu versehen. Dann können die Preise für bestimmte, vorher festgelegte Baustoffe wie Stahl, Holz, Aluminium, Kupfer, Zement und Epoxidharz noch während der Baumaßnahme an die Marktentwicklung angepasst werden. Im Einzelfall sah der betreffende Erlass des Finanzressorts auch die Möglichkeit vor, bestehende Verträge nachträglich anzupassen. Diese Regelung wurde nun Ende Januar bis zum 30. Juni 2023 verlängert.

    »Die Situation bei den Baustoffpreisen ist weiterhin angespannt«, begründete Ministerin Katrin Lange (SPD) dieses Vorgehen. Das Land Brandenburg als Bauherr achte natürlich darauf, mit den verwendeten Steuermitteln sparsam umzugehen. Aber es wäre auch niemandem geholfen, wenn es zum Stillstand auf den Baustellen käme. Darum habe man eine Festlegung der Bundesbauverwaltung übernommen, die ebenfalls bis Mitte 2023 verlängert worden sei.

    Das Brandenburger Baugewerbe meldet derweil dramatische Einbrüche. Angesichts der Preisexplosion und der unsicheren Weltlage überlegen junge Familien zweimal, bevor sie ein Eigenheim errichten oder eine Garage anbauen lassen. Auch Industriebetriebe und andere Unternehmen verschieben eigentlich geplante Investitionen vorerst. Noch im Oktober konnte es Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kaum glauben, als ein auf Einfamilienhäuser spezialisierter Bauunternehmer bei einem Bürgerdialog im Neuen Rathaus von Bernau klagte, dass ihm reihenweise Aufträge storniert würden und er um seine Existenz fürchte. Bislang sei ihm nur das gegenteilige Problem bekannt gewesen, nämlich dass Handwerkertermine wegen des Fachkräftemangels fast nicht zu bekommen sind, gestand Woidke.

    Inzwischen sprechen die Zahlen nach Darstellung der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg eine deutliche Sprache. Besonders schlimm erwischte es demnach den Hochbau: Ein Auftragsminus von 59,4 Prozent im November gegenüber dem Vorjahresmonat zeichne ein düsteres Bild für die kommenden Monate, erklärte Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner. »Die Zahlen sind damit ähnlich dramatisch wie im Oktober 2022 in Berlin.« Dazu komme entgegen dem Bundestrend ein Rückgang der Erwerbstätigkeit im hiesigen Baugewerbe. »All das lässt nur den Schluss zu, dass die Rezession in Brandenburg angekommen ist«, so Schreiner. »Die Situation ist umso prekärer, weil der November normalerweise ein guter Monat für die Baubranche ist. In diesem Zeitraum werden noch einmal viele Projekte vor der Winterpause in Auftrag gegeben«, erläuterte die Chefin des Branchenverbandes.

    Doch steigende Material- und Energiepreise, fehlende Förderungen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau für das energieeffiziente Bauen und hohe Zinsen verhindern Schreiner zufolge den Wohnungsbau. »Es gibt in Brandenburg Leuchtturmgebiete, in denen weiterhin viel gebaut wird«, gestand sie zu. Hier sei insbesondere die Gegend rund um die Tesla-Autofabrik in Grünheide zu erwähnen. Das spiegele aber nicht die Realität im ganzen Land wider, man benötige ein Konjunkturprogramm für den Bau. Die gewachsenen Umsatzzahlen könnten täuschen. Sie seien lediglich durch die gestiegenen Preise und die hohe Inflation zustande gekommen.

    Hört man sich unter Bauarbeitern um, so erzählt einer aus Südbrandenburg, in seiner Firma sei noch genug zu tun. Die sei allerdings auch breit aufgestellt und arbeite an sehr verschiedenen Objekten. Kollegen aus Firmen, die ausschließlich Eigenheime hochziehen, berichten dagegen, dass sie spürbar weniger zu tun haben.

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