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Notwendig, gerecht und machbar
Dierk Hirschel über den Streik bei der Post
Im Winter klingelt der Postbote nicht mehr. Die Zustellerinnen und Zusteller des gelben Riesen fahren seit Tagen keine Pakete mehr aus. Sie streiken für ein Lohnplus von 15 Prozent. Das klingt zunächst nach sehr viel Geld. Wir leben aber in Inflationszeiten. Das Preisniveau ist inzwischen auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren. Im vergangenen Jahr kletterten die Preise um stolze acht Prozent. Für dieses Jahr erwarten wir ein Preisplus von sechs Prozent.
Die steigenden Preise belasten nicht alle Menschen gleich. Die Inflation hat eine starke soziale Schieflage. Die Teuerung trifft die Mittel- und Unterschicht härter als den Club der Reichen. Viele Postbeschäftigte haben nur kleine Bruttoeinkommen zwischen 2100 und 3000 Euro. Folglich müssen sie verhältnismäßig mehr Geld für Lebensmittel, Heizen sowie Bahn und Bus ausgeben als andere. Ihre Inflationsrate lag letztes Jahr deutlich über den durchschnittlichen Preissteigerungen.
Das beste Rezept gegen steigende Preise sind kräftige Lohn- und Gehaltszuwächse. In Inflationszeiten wollen die Gewerkschaften die Kaufkraft sichern und für eine angemessene Teilhabe der Beschäftigten an der Wirtschaftsleistung sorgen. Dabei geht es um tabellenwirksame Lohnzuwächse. Einmalzahlungen, wie die von der Bundesregierung ins Schaufenster gestellte Inflationsprämie, sind kein echter Ausgleich. Diese Sonderzahlung würde die Löhne nur kurzfristig erhöhen. Wenn sie wegfällt, purzeln die Preise aber nicht.
Die Post kann sich ein kräftiges Lohnplus leisten. Der gelbe Riese ist ein Krisengewinner. In der Pandemie explodierten Umsatz und Gewinn. Seit 2015 stiegen die Umsatzerlöse um stolze 40 Prozent. Der Unternehmensgewinn kletterte 2021 auf acht Milliarden Euro und letztes Jahr auf 8,4 Milliarden Euro. Dem Konzern geht es so gut wie nie zuvor. Die Post AG schwimmt im Geld.
Der Rekordgewinn freut auch die Aktionäre. Ihre Dividende verdoppelte sich seit 2015 auf 1,88 Euro. In den letzten zwei Jahren prasselte ein drei Milliarden Euro warmer Geldregen auf die Aktionäre herab. Wer seine Anteilseigner so beschenken kann, der hat auch genug Geld, um diejenigen anständig zu bezahlen, die den Erfolg des Unternehmens erarbeitet haben.
Wie Erfolgsbeteiligung geht, haben die Postvorstände den Beschäftigten bereits vorgemacht. Das Jahresgehalt von Konzernchef Frank Appel kletterte im pandemiebedingten Paketboom um 54 Prozent auf zehn Millionen Euro. Dagegen sind 15 Prozent Tariflohnforderung noch richtig bescheiden.
Die Post AG hat in den letzten Jahren ihre hohen Gewinne auf Kosten der Beschäftigten gemacht. Der wirtschaftliche Erfolg des Konzerns beruhte darauf, dass tausende Postzustellerinnen auf dem Zahnfleisch gingen und in der Pandemie ihre Gesundheit riskierten. Die Anzahl der Pakete hat sich nämlich im vergangenen Jahrzehnt auf 4,5 Milliarden verdoppelt. Das fürstlich bezahlte Management stellte aber nicht ausreichend Personal ein, um diese Paketflut zu bewältigen. Tausende befristete Stellen fielen wegen krasser Fehlplanungen weg. Folglich häufen sich die Beschwerden, dass die Post nicht mehr geliefert wird. Ein klares Managementversagen.
In den letzten Jahren mussten die Beschäftigten immer schneller und schwerer arbeiten, um Umsatz und Profit weiter zu steigern. Deswegen wurden Überstunden zur Regel und der Krankenstand stieg. Zudem sind die Verdienste in der Post- und Paketbranche seit 2011 nur unterdurchschnittlich gestiegen. In anderen Branchen nahmen die Löhne und Gehälter stärker zu.
Eine kräftige Tariflohnerhöhung ist jetzt das mindeste, was die Beschäftigten erwarten können. Die Ausgangslage ist gut. Die Postbeschäftigten und ihre Gewerkschaft sind kampfbereit, der Arbeitskräftemangel gibt Rückenwind und die Mehrheit der heimischen Bevölkerung steht hinter der Tariflohnforderung. 15 Prozent Lohnplus sind notwendig, gerecht und machbar.
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