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  • Kiezversammlung gegen Inflation

Nachbarschaft in Lichtenberg übt Solidarität in der Krise

Auf der Lichtenberger Kiezversammlung organisieren sich die Anwohnenden gegen hohe Kosten

Wie kommen wir solidarisch durch die Krise? Die bekannte linke Frage wurde zuletzt wieder häufiger gestellt, seitdem zu den ohnehin steigenden Mietpreisen teure Lebensmittel und die Angst vor den nächsten Nebenkostenabrechnungen hinzukommen. Lichtenberger Initiativen wollen die Frage gemeinsam angehen und organisieren Kiezversammlungen, um sich zu vernetzen und Projekte zu planen. Die zweite Versammlung dieser Art hat am vergangenen Sonntagnachmittag in der Alten Schmiede im Kaskelkiez stattgefunden.

Etwa 60 Menschen sind gekommen, um sich kennenzulernen und auszutauschen. Mitorganisator Ilja Gidde freut sich, er hält den persönlichen Kontakt für notwendig, um sich solidarisch zu organisieren. »Nachbar*innen treffen sich dann im Supermarkt oder beim Spaziergang wieder und können sich austauschen. So entsteht ein Vertrauen, was die Basis zur Umsetzung von Projekten im Kiez ist«, sagt Gidde zu »nd«.

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Gidde wohnt selbst im Kaskelkiez und ist Teil des Kollektivs für solidarische Gesundheit. Das Ziel des neu gegründeten Vereins ist es, ein integriertes Stadtteilgesundheitszentrum aufzubauen. Vorbild ist das Neuköllner Gesundheitskollektiv und ihr etwa ein Jahr altes Zentrum zwischen Rollberg- und Flughafenstraße. »Viele von uns kommen aus dem Gesundheitsbereich. Wir haben schon viele Kooperationspartner*innen mit großem Interesse an dem Projekt in Lichtenberg«, sagt seine Mitstreiterin Laetitia Malotha bei der Vorstellung des Vereins.

Das Kollektiv hat bereits mit der konkreten Planung begonnen: »Wir haben schon zwei Allgemeinmediziner*innen, eine Psychotherapeutin, eine Sozialarbeiterin, jemanden für die Buchhaltung und noch viele andere an Bord«, sagt Gidde. Auch um einen Kassensitz und um Praxisräume habe man sich bereits gekümmert. »Wir brauchen vor allem noch Fördermittel«, so Malotha. Das Kollektiv habe sich bereits auf entsprechende Landesmittel beworben, aber die Förderung letztendlich nicht erhalten. Da aber das Interesse von Seiten des Bezirks groß sei, hoffe man auf Mittel von dieser Seite.

Gesundheitsversorgung, die neben den körperlichen auch soziale und psychische Probleme miteinbezieht, gemeinwohl- statt profitorientiert ist und Raum für sozialen Austausch bietet, wird umso relevanter, je schwieriger die Lebensbedingungen sind. Aber auch kleinere Projekte können praktische Solidarität organisieren. So hat sich durch die erste Kiezversammlung im November eine Kochgruppe gegründet, die mit geretteten Lebensmitteln einmal die Woche gemäß dem Konzept Küche für alle warmes Essen gegen Spende ausgibt, aktuell im Cafe Maggie in der Frankfurter Allee. »Unser Traum ist es eigentlich, dass wir ganz viele offene Küchen im Kiez haben. So, dass wir auch alle zusammen kochen, essen und abspülen, also den ganzen Prozess gemeinsam mitmachen«, sagt ein Mitglied der Kochgruppe. Dafür brauche es aber noch Mitstreiter*innen.

Im kleinen Kreis tauschen sich einige Anwohner*innen über die solidarische Essensversorgung in ihrem Kiez aus. In lebhafter Diskussion werden Pläne ausgeheckt, öfter mal in der eigenen Straße zusammenzukommen und zu kochen oder mitgebrachtes Essen gemeinsam zu verspeisen. »Wir planen aktuell ein Straßenfest im Frühling, vielleicht können wir das ja kombinieren«, schlägt Kim Maier vor. Maier ist selbst bei der Lichtenberger Jugendantifa organisiert, wohnt im Kaskelkiez und hat die Kiezversammlung mitorganisiert. Eine weitere Arbeitsgruppe versucht, die Kampagne »Wir zahlen nicht« im Kiez zu verankern. Die Kampagne ruft Verbraucher*innen dazu auf, sich kollektiv zu weigern, die hohen Strom- und Gaspreise zur Profitmaximisierung der Anbieter zu bezahlen.

Sich in der Nachbarschaft über politische Projekte und Handlungsräume auszutauschen, trifft unter den anwesenden Anwohner*innen auf breite Zustimmung – auf die Frage, ob es denn weitere Kiezversammlungen brauche, heben fast alle der Anwesenden die Hand. Was aber oft noch fehle, sei der Schritt vom Zuhören zur Selbstorganisierung, sagt Ilja Gidde zu »nd«. Zwar funktioniere der Austausch zwischen den bereits bestehenden Initiativen sehr gut. Aber bisher sei noch nicht zu spüren, dass sich viele Anwohner*innen den Initiativen dann auch anschließen.

Ein weiteres Problem laut Gidde: Bisher kämen zu der Kiezversammlung noch nicht genug Menschen, die wirklich große Probleme durch die steigenden Preise haben und auf Unterstützung angewiesen sind. »Das ist ja ganz allgemein ein Problem der gesellschaftlichen Linken, dass viele Menschen nicht erreicht werden, die die sozialen Probleme am stärksten betreffen«, so der Aktivist.

Trotzdem hält er die Lichtenberger Kiezversammlungen für einen Erfolg. Im November seien sogar 80 bis 100 Menschen im Hubertusbad zusammengekommen, so Gidde. »Flugblätter, Aushänge und Straßengespräche funktionieren, um die Nachbar*innen zu erreichen.« Geplant sei eine Fortsetzung der Versammlung etwa alle drei Monate – im besten Falle von allen Beteiligten gemeinsam initiiert.

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