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Keine Deals mit Wohnungen und Schulen

Die Linke in Berlin-Pankow kontert ein Eigentümer-Transparent mit zwei Großplakaten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Marie Bigos, Maximilian Schirmer und Sandra Brunner (v.l.) an der Greifswalder Straße
Marie Bigos, Maximilian Schirmer und Sandra Brunner (v.l.) an der Greifswalder Straße

An der S-Bahn-Brücke der Greifswalder Straße in Berlin hängt wenige Tage vor der Wiederholungswahl am 12. Februar stadtauswärts sehr gut sichtbar ein langes Transparent am Geländer. »Hier verhindert Die Linke Wohnungen für 2000 Pankower und eine Schule für 600 Kinder«, steht da. Und dies angeblich trotz eines anderslautenden Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Pankow von 2022 und eines Gerichtsurteils von 2018. Aber um das alles lesen zu können, muss man schon nah herangehen. Denn nachdem das erste Transparent gestohlen wurde, hat irgendjemand bei dem zweiten die Worte »verhindert Die Linke« derart übersprüht, dass sie nur schemenhaft zu erkennen sind. Nun soll unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ein drittes Transparent aufgehängt werden.

Um zu erfassen, worum es sich hier dreht, braucht es Hintergrundwissen. 2011 kaufte ein Investor den alten Güterbahnhof mit Grundstücken links und rechts der Brücke. Die schmale Straße, die neben den Gleisen der S-Bahn über die Brücke führt, gehört samt Brückengeländer dazu. Früher war die Straße freigegeben. Inzwischen ist sie gesperrt.

Der Investor möchte Häuser mit Wohnungen und Büros bauen, eins davon auf dem Parkplatz links der Brücke. Denn dort könnte ein Hochhaus wie im angrenzenden Ernst-Thälmann-Park zulässig sein und nicht bloß Zweigeschosser, auf die es auf dem alten Güterbahnhof hinauslaufen könnte, so die Linkspartei. Der Parkplatz gehört jedoch dem Bezirk. Dieser müsste sich auf einen Flächentausch mit dem Investor einlassen. Die Linke ist allerdings der Meinung, dass für die dringend benötigte Oberschule nicht unbedingt eine größere Fläche von ihm gebraucht wird. Die Bildungsstätte könnte auch direkt auf dem Parkplatz entstehen. Nur für das Freigelände mit Sportplatz würde es knapp werden, erläutert am Montag die Linke-Bezirksvorsitzende Sandra Brunner.

»Der Wahrheitsgehalt geht aus unserer Sicht gegen null«, beschwert sich Maximilian Schirmer über das Transparent. Schirmer führt in einer Doppelspitze mit Maria Bigos die Linksfraktion in der BVV und sagt: »Wir können das nicht so einfach hinnehmen.« Seine Partei kontert jetzt mit zwei großflächigen Wahlplakaten auf dem Mittelstreifen der Greifswalder Straße. »Keine miesen Deals mit Investoren. Nicht hier. Nirgends«, steht darauf. Zwischen Asphaltpiste und Straßenbahngleisen posieren Brunner, Schirmer und Bigos am Montag für Fotos vor einem der Plakate.

»Was wir hier brauchen ist eine Schule, ist Kultur, ist eine Grünfläche – keine Gewerbetürme«, sagt Schirmer. »Der Investor erpresst uns mit einer Schule, die wir vielleicht auch auf unseren eigenen Flächen bauen können.« Maria Bigos ergänzt, dieser Investor schaffe überhaupt keinen bezahlbaren Wohnraum. Es sei kein Geheimnis, dass er im Luxussegment tätig sei.

Gekauft habe der Investor seine Grundstücke 2011, da waren sie noch als Bahngelände gewidmet. Vor der Entwidmung hätte er darauf Eisenbahner spielen dürfen, aber keine Wohn- oder Gewerbeeinheiten errichten, erklärt der einstige Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken (Linke). Wenn ihm das nun doch erlaubt werde, mache der Investor »das Geschäft seines Lebens«. Ein Bebauungsplan fehlt noch. Der soll aber aufgestellt werden. Die über das Gebiet verhängte Veränderungssperre zu verlängern, hat sich die BVV im vergangenen Jahr geweigert. Gegen den Wunsch der Linksfraktion, die von einer absoluten Mehrheit weit entfernt ist und Bauprojekte im Bezirk im Alleingang schwer verhindern kann.

»Seitdem hat der Investor eigentlich freie Bahn«, sagt Linksfraktionschefin Bigos über die gefallene Veränderungssperre. So weit würde ihr Fraktionskollege Fred Bordfeld aber nicht gehen. Freie Bahn bedeutet nach seinem Geschmack etwas anderes. Der Investor könnte immerhin jederzeit Bauanträge für seine Grundstücke stellen. Wenn er seine eingereichten Pläne nicht genehmigt bekommt, könnte man sich vor Gericht wiederfinden.

Der Eigentümer selbst sagt, Die Linke habe seit fast zwölf Jahren jeglichen Wohnungs- und Schulbau an diesem Standort verhindert und versuche, die Bürger mit Falschaussagen zu täuschen. Ein Beschluss der BVV regele eindeutig, »was wie gebaut werden soll«. Auch das Verhältnis zwischen Wohnen, Gewerbe und Schule sei beschlossen. »Mit ihrer aggressiven Blockadehaltung zeigt die Linke sehr deutlich, dass sie mit einem demokratisch legitimierten Mehrheitsbeschluss der BVV nicht zurechtkommt.« Ein Urteil des Verwaltungsgerichts gebe die Möglichkeit, »sofort unser Baurecht auszuüben«. Darauf habe man wohlwollend bis jetzt verzichtet, um auch eine Schule realisieren zu können. Der Eigentümer verweist außerdem darauf, dass sich Die Linke per Unterlassungserklärung verpflichtete, nicht wieder zu behaupten, es drohe »eine Bebauung durch einen zweifelhaften Investor mit Luxuswohnungen, Gewerbe und Hochhäusern«, wofür »Grünflächen, Parkplätze und Kultur« weichen sollen.

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