Einfach mal nichts tun

Bündnis wirft Senat und Bezirken Verschleppung der versprochenen Rekommunalisierung der Schulreinigung vor

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

»Diese organisierte Nichtzuständigkeit und Untätigkeit sowohl auf Senats- wie auch auf Bezirksebene, die regt uns maßlos auf«, sagt Jörg Tetzner. Er ist Lehrer an einer Neuköllner Schule und engagiert sich im Verein Schule in Not, der seit 2019 dafür kämpft, dass die in Berlin vor Jahrzehnten an private Putzfirmen ausgelagerte Schulreinigung wieder von den Bezirken selbst übernommen wird.

Eigentlich hatte es der Verein gemeinsam mit seinen Bündnispartnern von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi schon weit gebracht: Erst hatte es das Ziel der schrittweisen Rekommunalisierung der Schulreinigung ab 2023 in den rot-grün-roten Koalitionsvertrag geschafft, im vergangenen Jahr dann wurde die Finanzierung von Pilotprojekten an ausgewählten Schulen in Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln im Haushalt abgesichert.

Passiert ist seither wenig, kritisiert Jörg Tetzner am Mittwoch bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Gewerkschaftsvertretern: In Pankow »bewegt sich nichts«, aus Tempelhof-Schöneberg heiße es: »Still ruht der See.« Und in Neukölln plane man schon gar nicht mehr mit einem Start in diesem Jahr. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) verweise dabei munter auf den Senat, der verweise zurück auf den Bezirk. Ein »klassisches Behörden-Pingpong«, sagt Tetzner. »Senat und Bezirke haben so im Prinzip eine Strategie entwickelt, den Einstieg in die Rekommunalisierung aktiv zu verhindern.«

Dass eine für das Vorhaben eingerichtete Arbeitsgruppe bei der Senatsbildungsverwaltung sich bis Ende 2023 Zeit lassen will, um Projektvereinbarungen auszuarbeiten und verbindliche Standards für die Gebäudereinigung zu vereinbaren, passe hier ins Bild. Tetzner sagt: »Ja, was will man denn dort für Standards erarbeiten? Wie man ein Fensterbrett wischt, oder was?« Wie man es nicht machen sollte, könne man schließlich ohne Not an den Reinigungsleistungen privater Firmen in vielen Schulen der Stadt bewundern.

»Wir sprechen ja nicht nur über stinkende Toiletten, sondern auch über dreckige Flure und dreckige Böden, auf denen Kinder spielen«, sagt Laura Pinnig von der GEW, Lehrerin an einer Grundschule in Spandau und selbst Mutter eines Schulkinds. »Es kann einfach nicht sein, dass der Zustand, wie er jetzt ist, einfach weitergeführt wird.« Es gehe dabei um die Schüler, die sich angesichts der Zustände nicht mehr auf die Toilette trauten, genauso aber um die Reinigungskräfte, die fair entlohnt und zu attraktiven Bedingungen bei den Bezirken angestellt werden sollten.

Geärgert hat sich Pinnig nicht zuletzt über einen Satz der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Die hatte am Dienstag das im Senat beschlossene Eckpunktepapier für eine Reform der Berliner Verwaltung vorgestellt, mit dem die von vielen Seiten beklagten unklaren Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken ein Stück weit beendet werden sollen. Um ihre Pläne zu veranschaulichen, griff Giffey ausgerechnet auf das Thema Schultoilette zurück und erklärte: »Das Schulklo ist keine ministerielle, strategische oder gesamtstädtische Steuerungsaufgabe, das ist eine kommunale Aufgabe, und die möge dann auch dort bleiben.«

Unabhängig davon, dass die Reinigungskräfte letztlich bei den Bezirken angestellt werden sollen, sei es Aufgabe des Senats, das nun endlich in die Hand zu nehmen, sagt Pinnig: »Und ich finde es dann schon erstaunlich, wenn eine Regierende Bürgermeisterin sagt, dreckige Schultoiletten sind kein Problem des Senats. Wenn Kinder nicht aufs Klo gehen, weil es eklig ist, dann ist das natürlich eine gesamtstädtische Aufgabe.«

Verdi-Gewerkschaftssekretärin Katja Boll sieht das genauso. Zugleich moniert Boll ein gravierendes demokratiepolitisches Problem. Denn für die Rekommunalisierung der Schulreinigung wurden berlinweit über 25.000 Unterschriften gesammelt, es gibt entsprechende Beschlüsse in acht Bezirksverordnetenversammlungen. »Hier einfach nichts zu tun und das Pingpong-Spiel weiterzutreiben, ist mehr als bedenklich und lässt das Frustrationslevel in der Bevölkerung immer weiter steigen«, sagt Boll.

Die Frage, die am Mittwoch im Raum steht: Löst sich das Rekommunalisierungs-Versprechen von SPD, Grünen und Linke durch fröhliches Hin- und Hergeschiebe der Verantwortlichkeiten und aktives Nichtstun still und leise in Wohlgefallen auf? Auf gar keinen Fall, sagt Hendrikje Klein, Sprecherin für Personal und Verwaltung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Die Linksfraktion unterstützt die Forderungen von Schule in Not und den Gewerkschaften.«

Zugleich widerspricht Klein dem Vorwurf, die an den Pilotprojekten beteiligten Bezirke würden Däumchen drehen: »Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Pankow stehen in den Startlöchern, die Schulreinigung schrittweise zu rekommunalisieren.« Die Linke-Politikerin sieht die Hauptverantwortlichen für die Trödeleien dann auch im Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD). Hier werde »nach wie vor die Ausarbeitung der notwendigen Projektvereinbarung« verzögert, »sodass das Ziel, dieses Jahr zu beginnen, deutlich in Gefahr« gerate. »Das ist für uns nicht länger hinnehmbar«, so Klein.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -