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Ansammlung von Allgemeinplätzen
Andreas Bohne über die neue Afrika-Strategie der Bundesregierung
Mit mehrmonatiger Verspätung präsentierte Svenja Schulze die neue Afrika-Strategie des von ihr geleiteten Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wer vom SPD-geführten Ministerium den großen progressiven Wurf erwartet hatte, wird enttäuscht. Unter dem Titel »Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten« werden zwar Haltelinien und Schwerpunkte aufgeführt, jedoch kaum strategische Überlegungen angestellt oder neue Interventionen formuliert.
Im Papier finden sich einige neue rhetorische Figuren. So will man über die Folgen des Kolonialismus reflektieren und »rassistische Strukturen und postkoloniale Kontinuitäten vermeiden«. Wie das genau aussieht, bleibt jedoch unklar, denn die Floskeln der »Partnerschaft«, des »Chancenkontinents« und der »gemeinsamen Werte« finden sich bereits in den vorherigen BMZ-Papieren, die unter dem CSU-Minister Gerd Müller entstanden. Gleichzeitig positioniert sich das Ministerium in dem Papier als Türöffner für afrikanische Akteur*innen und fällt somit in ein Muster der Bevormundung zurück.
Und da bestehende Ungleichheitsstrukturen oftmals auf den Kolonialismus zurückgehen, hätte eine historische Darstellung globaler kapitalistischer Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse dem Dokument und damit den eigenen Ansprüchen gutgetan. Vielleicht müsste man gar nicht so weit zurückblicken, aber selbst kritische Einschätzungen noch bestehender Ansätze, wie zum Beispiel einer im Verbund mit dem Privatsektor erfolglos vorangetriebenen, inputorientierten Landwirtschaft, fehlen vollständig. Mit ein wenig Selbstkritik hätte frischer Wind in die Hallen des BMZ einziehen können. Das aber war wohl nicht gewollt.
Stattdessen besteht auch die neue Strategie weitgehend aus Allgemeinplätzen und bleibt bei einer geradezu schwindlig machenden Aufzählung von Programmen, Projekten und Initiativen stehen. Wie auf der Basis dieser Aufzählung das genannte Ziel, »gemeinsam mit Afrika globale Strukturpolitik zu machen«, erreicht werden soll, bleibt schleierhaft. Sicher, einige dieser Inhalte sind durchaus zu begrüßen, darunter die Stärkung der Menschenrechte, die Inklusion von LGBTQ*-Menschen, der Ausbau Erneuerbarer Energien oder der Verweis auf die gewachsene Verschuldung. Aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail bzw. in den fehlenden Details: Zwar will das BMZ das »Schuldenmanagement« der betroffenen Staaten verbessern und »inklusive Schuldenrestrukturierung« unterstützen; was sich dahinter aus Sicht des Ministeriums verbirgt, bleibt weitgehend spekulativ.
Ist es auf der einen Seite lobenswert, dass die Förderung der Agrarökologie genannt wird, überrascht es auf der anderen Seite, dass derzeit intensiv geführte Debatten über die Rolle teurer synthetischer Düngemittel, den Export gefährlicher Pestizide, die Marktmacht der Konzerne oder die hohen Lebensmittelpreise keine Berücksichtigung finden. Und die viel zitierte »Feministische Entwicklungspolitik« – das Markenzeichen von Ministerin Schulze – spielt in dem Papier trotz deren Funktion als Leitbild nur eine untergeordnete Rolle. Sie findet sich lediglich als ein Schwerpunkt neben den fünf anderen, nicht aber als übergreifendes Querschnittsthema.
Vergeblich sucht man klar definierte Ziele, selbstgesetzte Standards oder Hinweise auf Risiken bei der Umsetzung von Projekten, etwa mit Blick auf den Aufbau einer afrikanischen Wasserstoffproduktion. Auch beinhaltet die Strategie keinerlei explizite Finanzierungsverpflichtungen, sondern verharrt oftmals bei Willensbekundungen.
Hinweise auf einen notwendigen Wandel in der deutschen Politik – wie beispielsweise im Rohstoffbereich, in der Klimapolitik oder in der »imperialen Lebensweise« – sucht man vergeblich. Schließlich ist es eine »Afrika-Strategie«.
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