Eisbären Berlin: Unterstützung durch linke Ultras

Das Frauenteam der Eisbären Berlin wird von linken Ultras unterstützt

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 4 Min.

»Warum gehen wir in die Mercedes-Benz-Arena, unterstützen einen kapitalistischen Verein und müssen uns dabei die ganze Zeit mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auseinandersetzen?« Als Nico das sagt, steht er am Rand eines Eishockeyspiels im Wellblechpalast in Hohenschönhausen. Die Frauen der Eisbären Berlin spielt gegen den EC Bergkamen aus Nordrhein-Westfalen. Das Team spielt in der Frauen-Bundesliga und erreichte im Januar im Wettbewerb um den DEB-Pokal den dritten Platz. Auf dem Eis steht es 2:1 für die Eisbären. Neben Nico schaut sich eine Gruppe von rund 50 Fans gespannt das Spiel an. Er und andere Fans haben im Jahr 2020 das »Else-Jahn-Kurvenkollektiv« gegründet.

»Es gibt im Frauen-Eishockey keine andere Fanszene, soweit mir das bekannt ist«, berichtet Nico ein bisschen stolz über das Projekt. »Für Europa kann ich das nicht genau sagen, aber in Deutschland gibt es das einfach nicht.« Aus ihrer linken politischen Gesinnung macht die Kurve kein Geheimnis. Menschen rufen: »Siamo tutti antifascisti« (deutsch: Wir sind alle Antifaschisten), Antifa-Fahnen werden geschwenkt. »Wir sind des Sportklubs treue Gefolgschaft, wir sind die Eisbären aus Berlin«, singen die Fans auf den Takt des Arbeiterlieds »Arbeiter von Wien«.

Else Jahn, die Namensgeberin der Kurve, war eine Weißenseer Antifaschistin, lange in der KPD organisiert, saß unter den Nazis drei Jahre im Zuchthaus und wies bei der Befreiung Ostberlins der Roten Armee den Weg, bis sie von einer SS-Einheit bei einem Schusswechsel getötet wurde. »Sie hat sich zeit ihres Lebens gegen die Nazis engagiert. Niemand von uns kannte diese Geschichte, und wir finden es als Antifaschist*innen wichtig, daran zu erinnern, auch weil sie direkt aus dem Kiez kommt«, erklärt Nico den Namen der Kurve.

»Ultras« werden organisierte Fangruppen genannt. Bekannt ist die Bewegung vor allem vom Fußball, inzwischen gibt es solche Gruppen aber auch unter den Fans anderer Sportarten. Abseits des Spielfelds organisieren und unterstützen die Ultras bei den Eisbären politische Aktionen. »Wir haben immer wieder lokale antifaschistische Gruppen bei Kundgebungen unterstützt, zum Beispiel bei der jährlichen Gedenkaktion anlässlich der Befreiung Berlins«, erzählt Nico. Auch vor dem Spiel gegen Bergkamen hat die Else-Jahn-Kurve einen Gedenkspaziergang zu Orten jüdischen Lebens in Hohenschönhausen organisiert. 30 Menschen beteiligten sich daran.

Statt mit dem Puhdys-Lied wird den Eishockeyspielerinnen der Eisbären Berlin mit Arbeiterliedern eingeheizt.
Statt mit dem Puhdys-Lied wird den Eishockeyspielerinnen der Eisbären Berlin mit Arbeiterliedern eingeheizt.

In der Kurve geht es natürlich nicht nur um Politik. Viele Lieder und Slogans, die am Abend des Spiels angestimmt werden, handeln schlicht von der großen Liebe zu den Eisbären Berlin. Fragt man Nico nach den Unterschieden, die es beim Eishockey bei den Frauen und Männern gibt, muss er lachen. »Obwohl es hier um die erste Bundesliga geht, liegen Welten dazwischen: Beim Männersport hat man Riesenarenen, alles ist durchkommerzialisiert, Spieler verdienen riesige Gehälter.« Bei den Frauen sei das genaue Gegenteil der Fall. Es werde um Sponsoren gerungen, der Liga fehle es an Geld, Spielerinnen bekämen keine Gehälter.

In vielen Fällen müssen die Spielerinnen sogar draufzahlen: Kosten für Spielmaterial wie Schläger und Schlittschuhe müssen sie häufig ebenso selbst tragen wie Anfahrts- und Übernachtungskosten. Sponsoren zahlen meist nur für Trikots und Stutzen. »Das spiegelt sich auch in der Fanszene wider.« Obwohl es im Wellblechpalast Platz für über 4000 Zuschauer*innen gäbe, werden die Spiele meist nur von knapp 200 Leuten besucht.

Nicht zuletzt diese Umstände waren Anstoß für die Gründung des Else-Jahn-Kurvenkollektivs. Bei der Männermannschaft gibt es bereits seit 2007 die linke Ultra-Gruppe »Black Corner«. Als diese Gruppe 2016 eine Choreografie gegen Homophobie zeigte, gab es aber auch Kritik von anderen Ultra-Gruppen: »Black Corner« versuche, das Publikum politisch zu instrumentalisieren. Nico kann diese Kritik nicht verstehen: »Das war völlig absurd. Selbst die Spieler haben die Aktion damals unterstützt.«

Was sie von anderen Fans unterscheidet? Nico überlegt kurz. »Bis auf Nazis können bei uns alle mitmachen«, sagt er dann. »Es kommen Familien, Kinder, Menschen, die in Behinderten-WGs leben. Wer möchte, darf auch gerne mal trommeln.« Niemand sei sauer, wenn jemand mal nicht singe oder mitklatsche. Man wolle auch niemanden abwerten. »Im Gegensatz zum Fußball machen wir keine Stimmung gegen andere Vereine«, sagt Nico. Insbesondere da auch Spielerinnen anderer Vereine von der strukturellen Ungleichheit im Sport betroffen seien.

Auf dem Eis ist das Spiel gerade vorbei. Die Entscheidung fällt in letzter Sekunde: 4:3 für Bergkamen. Enttäuscht sagt jemand: »Jetzt wird es wohl schwer für die Eisbären, es in die Playoffs zu schaffen.« Trotz der Niederlage wird weiter aus Leibeskräften gesungen und getrommelt.
Was halten eigentlich die Spielerinnen von ihren Fans? »Wir haben guten Kontakt zu den Vereinsverantwortlichen. Früher haben wir auch öfter noch ein Bier nach dem Spiel mit den Spielerinnen getrunken«, berichtet Nico.

Ganz am Schluss kommen die Eisbären-Spielerinnen noch mal in die Halle, drehen eine Ehrenrunde vor der Else-Jahn-Kurve. Aus den Stadionboxen klingt das Lied »Antifa Hooligans« der italienischen Band Los Fastidios. Es ist der Dank der Spielerinnen für den Support.

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