- Kommentare
- Klimaziele
Jetzt hilft nur noch klagen
Olaf Bandt über Druck auf die Regierung, endlich die Klimaziele einzuhalten
Der BUND hat die Bundesregierung verklagt. Wir konnten nicht weiter zusehen, wie sie gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz verstößt, laut dem bis 2030 die CO2-Emissionen um 65 Prozent verringert werden müssen. Überschreiten Sektoren die vorgegebenen Jahresemissionsmengen, müssen schnellstmöglich Sofortprogramme her. Bisher hat die Ampel-Koalition jedoch keine derartigen Beschlüsse gefasst, obwohl sie dies wegen zu hoher Emissionen im Verkehrs- und Gebäudesektor in 2021 hätte tun müssen. Die von den Ministerien vorgelegten Entwürfe für Sofortprogramme sind nicht geeignet, die Treibhausgasemissionen ausreichend zu senken.
Das ist ein dramatisches Versagen. Denn selbst die Ziele des Klimaschutzgesetzes reichen nicht, um der völkerrechtlich verbindlichen 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens zu entsprechen. Auch den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht 2021 nach einer vom BUND mitinitiierten Verfassungsbeschwerde festgeschrieben hatte, läuft der derzeitige Kurs zuwider.
Besonders eklatant ist die Lücke im Verkehrsbereich. Für die Jahre 2011-2021 wurde im Schnitt nur eine geringe jährliche Minderung von rund 0,5 Millionen Tonnen CO2 erreicht. 2019 lagen die Gesamtwerte in etwa auf dem Niveau von 1990, wenn auch bei gestiegener Verkehrsleistung. Zur Erreichung der Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes sind künftig aber Rückgänge von rund sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich erforderlich. Die aktuellen Mengen müssen auf 85 Millionen Tonnen CO2 in 2030 nahezu halbiert werden.
Verkehrsminister Volker Wissing setzt dabei einzig auf technische Lösungen. Er versucht sogar den Bau weiterer Autobahnen als Klimaschutz-Maßnahmen zu verkaufen. Teure Scheinlösungen wie E-Fuels dienen vor allem dazu, Maßnahmen einer Mobilitätswende mit weniger Autos und besseren Angeboten bei Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr abzuwenden. Ohne maßgebliche Veränderungen bei der Frage, wie wir unseren Personen- und nicht zuletzt auch Güterverkehr organisieren, wird der Weg zu einer energieeffizienten, klimafreundlichen und für alle bezahlbaren Mobilität der Zukunft nicht Wirklichkeit.
Auch Klimaminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz versagen beim Klimaschutz. Zwar haben sie einen ausführlichen Entwurf für ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorgelegt, doch der Expertenrat für Klimafragen stellte fest: Die geplanten Maßnahmen wirken zu spät, die Datengrundlage ist mangelhaft, die Umsetzung ist nicht gesichert. Kein Wunder, dass der Sektor aller Voraussicht nach schon zum dritten Mal die jährlich erlaubten Emissionsmengen überschreitet. Der Kanzler ist jetzt gefordert, ein Machtwort zu sprechen. Er muss seinem im Wahlkampf selbst verliehenen Titel »Klimakanzler« endlich gerecht werden.
Man kann den Klimaschutz eben nicht »dem Markt« überlassen, wie die FDP das behauptet. Auch Verhaltensänderungen im Alltag allein reichen nicht aus. Der Sanierungsstau im Gebäudebestand muss aufgelöst werden, beginnend bei den energetisch schlechtesten Gebäuden. 30 Prozent der Gebäude sind für die Hälfte der CO2-Emissionen in Wohngebäuden verantwortlich. Ihr Energieverbrauch ist rund zehn Mal höher als in Gebäuden der besten Effizienzklassen. Entsprechend teuer ist es, die Wohnung warm zu halten, entsprechend belastend ist dies für Menschen mit wenig Einkommen. Verlässlicher Klimaschutz und eine sichere und bezahlbare Energieversorgung in Gebäuden gelingen nur mit entsprechenden Gesetzen. Gezielte Förderprogramme und die gerechte Verteilung der Kosten zwischen Vermietenden und Mietenden müssen die soziale Umsetzung energetischer Modernisierungen gewährleisten.
Mit unserer Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wollen wir erreichen, dass Sofortprogramme laut Bundes-Klimaschutzgesetz erlassen werden. Konkrete Maßnahmen müssen dazu führen, dass die jährlich sinkenden Emissionshöchstmengen in den nächsten Jahren in jedem einzelnen Sektor eingehalten werden.
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!