Auftrieb für Meloni

Bei Regionalwahlen in Italien dürfte sich der Trend zu den Neofaschisten fortsetzen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Attilio Fontana (auf der Leinwand) wird wahrscheinlich Ministerpräsident der Lombardei bleiben und Italien weiter im rechten Sinne Giorgia Melonis (am Pult) verändern.
Attilio Fontana (auf der Leinwand) wird wahrscheinlich Ministerpräsident der Lombardei bleiben und Italien weiter im rechten Sinne Giorgia Melonis (am Pult) verändern.

Es geht nicht um irgendwelche Regionen, sondern um die beiden wichtigsten des Landes: In der Lombardei und im Latium werden am Sonntag die Wähler entscheiden. Der Ausgang scheint klar, denn den Umfragen zufolge werden in beiden Fällen die Rechte bzw. Ultrarechte das Rennen machen, also die Kräfte, die auch auf nationaler Ebene das Land regieren.

Die Lombardei gilt mit Mailand als »Wirtschaftshauptstadt« Italiens. Mit ihren zehn Millionen Einwohnern ist sie die bevölkerungsreichste Region des Landes. Hier haben die Börse und alle großen Banken ihren Sitz, hier werden etwa 20 Prozent des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet. Auch sind hier, vor allem rund um Brescia, viele Fabriken angesiedelt. Aber Mailand ist auch eine der großen Mode-Metropolen der Welt und mit ihren Bergen und Seen – von den Kunstschätzen ganz zu schweigen – zieht die Lombardei Millionen von Touristen an. Ein kleines Paradies könnte man meinen, wenn da nicht vor allem die enorme Umweltverschmutzung wäre …

Wahlen in den wichtigsten Regionen Italiens

Seit 2018 ist Attilio Fontana Ministerpräsident und er wird es wahrscheinlich auch bleiben; in den Umfragen kommt er auf 45 Prozent der Stimmen. Fontana gehört der Lega an und regiert mit einer rechten Koalition, wobei sich die Kräfteverhältnisse innerhalb seiner Mehrheit allerdings deutlich verschoben haben. Vor fünf Jahren erhielt die Lega fast 30 Prozent der Stimmen, die Berlusconi-Partei Forza Italia 15 Prozent und »Fratelli d’Italia« noch nicht einmal vier Prozent. Heute sehen die Prognosen für die Lega etwa 13 Prozent, für Forza Italia 6,5 Prozent und für die Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni 25 Prozent voraus. Also nicht die Lega, sondern wahrscheinlich die Neofaschisten werden in Mailand in den kommenden Jahren das Sagen haben.

Gegen Fontana tritt das »linke« Bündnis mit Pierfrancesco Majorino an, der von den Sozialdemokraten und der Fünf-Sterne-Bewegung unterstützt wird. In Umfragen kommt er auf 34 Prozent. Für das Zentrum geht Letizia Moratti ins Rennen: Sie ist eine sehr bekannte Politikerin, war Vize von Fontana, Bürgermeisterin von Mailand und Ministerin und hat sich erst vor wenigen Monaten von der rechten Koalition losgesagt. Sie sollte auf knapp 20 Prozent kommen. Am linken Rand kandidiert Mara Ghidorzi, die von Unione Popolare und anderen alternativen Gruppen unterstützt wird. Sie liegt bei 2,5 Prozent.

Rechte regieren trotz linker Mehrheit

Latium (Lazio) hat knapp sechs Millionen Einwohner, von denen weit über die Hälfte in der Hauptstadt Rom und ihrem Hinterland leben. Die Region erwirtschaftet etwa elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes und hat ihre wirtschaftlichen Schwerpunkte im Tourismus und im Bauwesen, wobei sich dort im letzten Jahrzehnt auch zahlreiche Hightech-Betriebe angesiedelt haben.

Regiert wird die Region seit 2013 von einer Mitte-Links-Koalition. Ministerpräsident ist Nicola Zingaretti, ein sozialdemokratischer Politiker, der allgemein sehr beliebt ist. Er tritt jetzt aber nicht noch einmal an und seine bisherige Koalition aus Sozialdemokraten, Fünf-Sterne-Bewegung und linken Gruppierungen ist zerbrochen. Die Sozialdemokraten koalieren heute mit dem Zentrum und ihr Kandidat Alessio D’Amato wird laut Umfragen knapp 35 Prozent erreichen. Die Fünf Sterne stellen mit Donatella Bianchi ihre eigene Kandidatin auf: Sie liegt in den Umfragen bei 20 Prozent. Rosa Rinaldi, die die Linke vertritt, liegt bei zwei Prozent. Gewinnen wird die Wahl mit großer Wahrscheinlichkeit Francesco Rocca von der rechten und ultrarechten Koalition. In den Umfragen kommt er auf über 40 Prozent.

Zerstrittene Sozialdemokraten müssen sich neu sortieren

Sowohl in der Lombardei als auch im Latium könnte eigentlich ein Mitte-links-Bündnis gewinnen – wenn man sich denn geeinigt hätte. Warum ist das nicht gelungen? Das liegt vor allem an den Sozialdemokraten, die sich seit Monaten in einem schmerzhaften Selbstfindungsprozess befinden. Es gibt keine einheitliche Führung und die verschiedenen Strömungen sind untereinander zerstritten – auch und vor allem, was mögliche Wahlbündnisse mit den Fünf Sternen und linken Gruppen angeht.

Ende dieses Monats werden die Mitglieder (aber abstimmen dürfen alle Bürger) entscheiden, wer neu an die Spitze der Partei rückt. Danach findet der Parteitag statt. Vielleicht finden die Sozialdemokraten dann wieder zu einer einheitlichen Linie. Aber inzwischen wird Italien auch auf lokaler Ebene immer stärker von den Faschisten und ihren Verbündeten beherrscht werden.

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