Happige Strafen gegen Amazon & Co

Lieferdienste müssen laut Gesetz ihre Fahrer in Spanien fest anstellen

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Online-Handelsplattformen und Lieferdienste gehörten zu den Krisengewinnern in der Corona-Pandemie. Gleichzeitig sind sie für ein hartes Vorgehen gegen Gewerkschaften und für schlechte Arbeitsbedingungen sowie Bezahlung bekannt. In Spanien nimmt indes der Druck auf Unternehmen wie Deliveroo, Glovo oder Uber Eats zu. Vor wenigen Tagen gab es ein harsches Urteil gegen den US-Onlineriesen Amazon. Das Sozialgericht in der Hauptstadt Madrid entschied, dass das Unternehmen des Milliardärs Jeff Bezos fast 2200 Paketauslieferer fest einstellen muss, da es sich bei diesen um Scheinselbstständige handle.

Geklagt hatte die spanische Arbeiterunion (UGT), die sich auf das im vergangenen August in Kraft getretene »Rider-Gesetz« berief. Gewerkschaftschef Pepe Álvarez nannte das Urteil eine »außerordentliche Nachricht« und warnte alle Unternehmen, die weiter auf ein solches Geschäftsmodell setzen. Sie sollten endlich anfangen, die Situation der Fahrer zu regeln und sie fest einstellen, wie das Sozialgericht auch für Amazon geurteilt hat. »Sie werden alle fallen«, blickte Álvarez weit über Bring- und Lieferdienste hinaus auf alle digitalen Plattformen.

Im aktuellen Fall ging es um die Fahrer von Amazon Flex. Laut UGT war deren Scheinselbstständigkeit offensichtlich, denn sie seien von der Firma gezwungen worden, mit ihren eigenen Fahrzeugen zu arbeiten und Pakete unter Mithilfe der Unternehmens-App zu verteilen, über die sie ihre Anweisungen bekamen. Aus Sicht von immer mehr Gerichten in Spanien handelt es sich angesichts der Tatsache, dass die Fahrer den Unternehmen komplett ausgeliefert sind, um allgemeine Arbeitsverhältnisse. So hat nun auch das Sozialgericht in Madrid festgestellt, dass Amazon Flex kein bloßer Vermittler zwischen Geschäften und Auslieferungsfahrern sei, wie die Firma behauptete. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, da Berufung möglich ist.

Trotz allem spricht die Gewerkschaft von einem »weiteren Fortschritt in der Rechtsprechung, um die neuen Formen der Arbeit, die durch die Integration von Informatikanwendungen in die Produktionsprozesse entstehen, korrekt anzupassen«. Laut UGT habe das Sozialgericht letztlich nur die Vorgaben des Obersten Gerichtshofs umgesetzt. Dieses hatte im September 2020 geurteilt, dass auch die Fahrer des spanischen Lieferdienstes Glovo nur Scheinselbstständige sind.

Daran orientiert sich auch das Gesetz von Arbeitsministerin Yolanda Díaz, Chefin der Linkskoalition »Unidas Podemos« (UP). Die Sozialdemokraten, mit denen UP als Juniorpartner regiert, hatten eine generelle Regelung für digitale Plattformen verhindert. Das kritisierte übrigens auch der Rider Isaac Cuende, der den Präzedenzfall gegen Glovo durch alle Instanzen durchgezogen hatte.

Ministerin Díaz geht dennoch davon aus, dass »Spanien zum Vorreiter internationaler Gesetzgebung« geworden sei. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. So wird in der EU über eine Richtlinie für bessere Bedingungen für Plattformarbeiter diskutiert, mit der die ausufernde Scheinselbstständigkeit in diesem Sektor besser bekämpft werden soll. Das Europaparlament einigte sich vergangene Woche auf seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.

Die beliebte Arbeitsministerin Díaz, die im November bei den Parlamentswahlen als Kandidatin für den Posten des Regierungschefs antreten will, kann sich auch auf die Fahnen schreiben, dass die Kontrollen deutlich ausgeweitet wurden. Sie erhält deshalb bisweilen sogar Morddrohungen. Die Arbeitsaufsicht hat Tausende Verstöße gegen das Verbot der Scheinselbstständigkeit registriert und verhängte gerade ein Bußgeld in Höhe von 57 Millionen Euro gegen den Lieferdienst Glovo, der inzwischen in etwa 1500 Städten in 25 Ländern operiert. Dieser setzt laut der Behörde auch Fahrer ohne gültige Arbeitserlaubnis ein.

Glovo ist Wiederholungstäter, die Bußgelder und Nachzahlungen an die Sozialversicherung summieren sich mittlerweile schon auf mehr als 200 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr wurde der Lieferdienst gezwungen, die Arbeitsverhältnisse von 10 000 Fahrern zu regeln, die allein in Valencia und Barcelona scheinselbstständig für Glovo tätig waren. »Keine Firma in Spanien, egal wie groß oder klein, steht über dem Gesetz«, warnte Arbeitsministerin Díaz. Sie erinnerte nach dem neuen Glovo-Bußgeld daran, dass für Wiederholungstäter auch Haftstrafen von bis zu sechs Jahren drohen.

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