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- Streik-Abstimmung bei der Post
Verdi läutet bei der Post das Streikjahr ein
Nicht nur bei der Deutschen Post könnte es dieses Jahr zu unbefristeten, richtigen Streiks kommen
Deutschland wird vermutlich schon bald seinen ersten richtigen Streik in diesem Jahr haben. Nachdem die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post gescheitert sind, leitet die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nun eine Urabstimmung ein. Sie hebt den Arbeitskampf damit auf eine neue Stufe – weg von ritualisierten Warnstreiks in Richtung eines unbefristeten – richtigen – Streiks.
Natürlich liegt der Grund für die Eskalation des Tarifkonflikts bei der Post auch bei der Verhandlungsführung der Konzernspitze, die trotz Rekordgewinnen ihren Beschäftigten kein akzeptables Angebot machte. Doch steckt hinter dem Arbeitskampf auch eine makroökonomische Gemengelage, die auch andere Tarifverhandlungen wieder rauer machen wird. Die extreme Inflation macht Druck auf die Gewerkschaften, möglichst hohe Abschlüsse zu erzielen, weil die Beschäftigten einen Inflationsausgleich brauchen. So sind die Reallöhne im vergangenen Jahr im Schnitt um 4,1 Prozent zurückgegangen. Das ist der stärkste Reallohnrückgang seit 2008 und der dritte in Folge.
Letztlich geht es bei den Tarifverhandlungen also um die Verteilung der Krisenkosten: Erhalten die Beschäftigten deutlich mehr Lohn oder werden die Folgen der Energiepreiskrise durch die steigenden Preise auf sie abgewälzt? Dabei stehen dieses Jahr neben dem Arbeitskampf bei der Deutschen Post vor allem auch in anderen Branchen Tarifverhandlungen an, in denen nicht besonders gut verdient wird. Die dortigen Beschäftigten spüren also die Inflation besonders stark, was den Druck auf die Gewerkschaften zusätzlich erhöht, hohe Abschlüsse durchzusetzen.
Deswegen kann es dieses Jahr auch noch zu weiteren unbefristeten Streiks kommen – etwa im öffentlichen Dienst. Denn auch dort haben die Gewerkschaft bereits einen raueren Ton angeschlagen. Das Streikjahr wird jetzt bei der Post eingeläutet.
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