Bildungsraum statt Obstbaum

In Adlershof stehen ein Schulbau und der Naturschutz im Konflikt

Kein Platz für Streuobst: So soll die Gemeinschaftsschule am Eisenhutweg am Ende aussehen.
Kein Platz für Streuobst: So soll die Gemeinschaftsschule am Eisenhutweg am Ende aussehen.

Der Schulneubau am Eisenhutweg in Adlershof gehört zu den Prestigeobjekten der Berliner Schulbauoffensive. Hier soll ein riesiger Komplex entstehen, der künftig eine Gemeinschaftsschule beheimaten soll. Platz soll es für 1400 Schüler geben, damit ist das Projekt berlinweit der zweitgrößte Schulneubau der landeseigenen Howoge. Auf der Webseite des öffentlichen Wohnungsbauunternehmens kann man sich virtuell durch den Bauplan führen lassen: Im Sinne des in der Schulbauoffensive beliebten Compartment-Konzepts bestimmen eigenständige Gebäudeflügel und ein zentrales Foyer den Entwurf, in Lichthöfen laden kleine Gärten zum Verweilen ein.

Der Baubeginn ist für dieses Jahr geplant, fertig soll die Schule im Jahr 2026 werden. Der Bauplatz ist seit dieser Woche bereits abgesperrt, doch noch war unklar, wann die Bauarbeiten beginnen können. Umweltschützer von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz hatten vor Gericht einen Eilantrag gegen den Baustart beim Verwaltungsgericht gestellt. Denn um Platz für die Gemeinschaftsschule zu machen, soll eine Streuobstwiese weichen. Ungefähr 20 Bäume wachsen hier, darunter Apfel- und Birnenbäume. Die Wiese ist aus einer abgerissenen Kleingartenanlage entstanden, zahlreiche Vögel und Fledermäuse sind in dem Biotop beheimatet. Am Mittwochnachmittag entschied das Verwaltungsgericht jedoch, den Eilantrag der Naturschützer abzulehnen.

»Die Streuobstwiese ist ein Gesamtgefüge«, sagt Antje Stavorinus, Naturschutzreferentin bei der Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz. Besonders der vielfältige Unterwuchs aus Gräsern, Blüten und Sträuchern biete für zahlreiche Vogelarten ideale Nistbedingungen. Auch für die Nachbarschaft sei die Wiese wichtig, viele Anwohner pflückten regelmäßig Früchte von den Bäumen. Streuobstwiesen seien ein inzwischen selten gewordenes Biotop in Berlin, das mit Blick auf die Artenvielfalt unbedingt erhalten bleiben müsse. Sowohl Landes- als auch Bundesrecht sehen sie als schützenswert an, so Stavorinus.

Die Naturschützer sind dabei nicht prinzipiell gegen das Projekt. »Wir wollen keine Schulneubauten verhindern«, sagt Stavorinus. »Wir fordern, dass die Streuobstwiese in das Schulgelände integriert wird.« Sie kann sich vorstellen, dass die Wiese dann auch im Unterricht behandelt werden könnte. »Man kann da ganz viel über unsere Umwelt lernen.« Um die Landschaft vor tobenden Kindern zu schützen, müssten aber Teile der Wiese abgezäunt werden.

Laut Stavorinus könnte der Plan auch vergleichsweise einfach umgesetzt werden. Aktuell ist geplant, dass im Süden des Geländes, wo die Streuobstwiese zu finden ist, das Hauptgebäude der Schule entstehen soll, während der nördliche Teil für Sportflächen genutzt werden soll. »Wir haben eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man das Gebäudeensemble anders arrangieren könnte, sodass die Streuobstwiese erhalten bleiben könnte«, so Stavorinus. Die Verkehrsanbindung für die Schüler sei am nördlichen Standort sogar besser.

Eine Sprecherin des Bezirksamts begrüßt auf nd-Anfrage die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Baumfällarbeiten zu ermöglichen. Die Auffassung des Bezirks sei vom Gericht umfänglich bestätigt worden. Das Bezirksamt habe im Rahmen der Interessensabwägung den Schulbau als wichtiger als die Streuobstwiese angesehen. Auch das Gericht spricht im Urteil vom »hohen öffentlichen Interesse« an dem Schulneubau, der den Naturschutz überwiege. Schulstadtrat Marco Brauchmann (CDU) hatte im September vor der Bezirksverordnetenversammlung gesagt, dass bauliche Gründe gegen eine andere Anordnung der Gebäude sprechen. Diese Position bestätigte nun auch das Gericht. Die Pläne seien zudem zu weit fortgeschritten.

Naturschützerin Antje Stavorinus kann das Argument der drängenden Zeit nicht verstehen. »Wir haben seit 2016 auf mögliche Alternativen hingewiesen«, sagt sie. Bauamt und Howoge seien darauf aber nicht eingegangen. Stattdessen sei das Gelände mit einem Gutachten kleingerechnet worden, um die Fläche entgegen der Naturschutzgesetze roden zu können. Das Planungsverfahren sei ohne Beteiligung der Öffentlichkeit abgelaufen. Die Naturschützer seien dann vor vollendete Tatsachen gestellt worden, das Bezirksamt wollte nur noch über mögliche Ersatzflächen verhandeln.

Stavorinus ist allerdings skeptisch, ob ein adäquater Ausgleich möglich ist. »Die Flächen, die uns zum Ausgleich angeboten wurden, sind teilweise deutlich zu klein«, sagt sie. Am Standort am Eisenhutweg sei der Boden durch die tiefe Lage zudem besonders feucht. Andere Standorte müssten dagegen wohl künstlich bewässert werden. »Die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen Bedingungen ein vergleichbares Biotop entstehen kann, sind sehr gering«, sagt Stavorinus. Unsicher sei auch, ob diese Flächen dauerhaft gesichert werden könnten.

Diesen Argumenten wollte das Gericht nicht folgen. Das Gericht bestätigte, dass die Ausgleichpläne des Bezirksamts ausreichend seien. Das Ende der Streuobstwiese ist damit besiegelt. Das Bezirksamt bestätigt auf nd-Anfrage, dass die Baumfällarbeiten bereits begonnen haben. Antje Stavorinus kündigt an, nicht in die nächste Instanz gehen zu wollen.

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