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Mondlandung Klimaschutz

Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen, sei technisch machbar, es brauche nur den politischen Willen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Vielleicht nicht zu spät, aber auch nicht gerade viel Zeit: Die Initiative Klimaneustart will, dass Berlin bis 2030 klimaneutral wird.
Vielleicht nicht zu spät, aber auch nicht gerade viel Zeit: Die Initiative Klimaneustart will, dass Berlin bis 2030 klimaneutral wird.

Die Wahlbenachrichtigung steckt schon im Briefkasten, die Plakate hängen in der Stadt: Am 26. März werden die Berliner erneut um ihre Stimme gebeten. Dann können sie in einem Volksentscheid über das Klimaschutz- und Energiewendegesetz abstimmen, mit dem Berlin bis 2030 klimaneutral werden soll.

Die Initiative Klimaneustart hat den Wahlkampf bereits begonnen, der am Tag vor dem Wahlsonntag mit einer großen Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor enden soll. Bis dahin sind in den einzelnen Bezirken auch Kiezteams der Initiative unterwegs. Die müssen noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Denn immer wieder wird den Klimaschützern entgegengehalten, dass ihr Anliegen zwar schön und gut ist, bis 2030 aber nicht umsetzbar sei.

»Den Berlinerinnen und Berlinern vorzugaukeln, die Hauptstadt könne bis 2030 klimaneutral werden, ist unredlich. Das Ziel ist schlicht nicht erreichbar«, sagt beispielsweise Christian Amsinck, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Amsinck zählt auf, dass Berlins Primärenergie heute zu über 90 Prozent aus fossilen Quellen stamme. Auch würde die energetische Sanierung von Häusern über 100 Milliarden Euro kosten, nennt er eine weitere Baustelle.

Auch der Senat hatte die Umsetzung des Gesetzesvorschlags der Initiative Klimaneustart im vergangenen Jahr abgelehnt. 2045 ist die selbst gesteckte Zielmarke zur Erreichung der Klimaneutralität. Es brauche kein ambitionierteres Datum, sondern die praktische Umsetzung, wird immer wieder argumentiert. Zuletzt erklärte Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), dennoch mit Ja für den Volksentscheid stimmen zu wollen. Mit den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen sei es nicht möglich, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. Ein positiver Volksentscheid würde ihr aber mehr Instrumente in die Hand geben, »etwa für verbindliche Klimaschutzfahrpläne, die dann jede Senatsverwaltung auflegen muss«, sagte Jarasch im Interview mit der »Taz«.

Bei einer Pressekonferenz der Initiative Klimaneustart verdeutlichen dem Volksentscheid wohlgesonnene Experten, dass Klimaneutralität bis 2030 durchaus erreichbar sei. Große Vergleiche werden aufgemacht: Von Kennedy, der auch eine politische Entscheidung traf, binnen zehn Jahren einen Mann auf den Mond zu schicken. Auch von den technischen Revolutionen, beispielsweise beim »Personal Computer«, die sich in einem Jahrzehnt vollzogen, ist die Rede.

Hans-Josef Fell, ehemaliger Grünen-Bundestagspolitiker sagt, ganz auf erneuerbare Energien umzusteigen, sei machbar, »wenn der politische Wille artikuliert wird«. Beim international tätigen Netzwerk Energy Watch Group habe man dazu bereits eine Simulation gemacht. Er sagt aber auch: »Berlin schafft das nicht allein. Das geht nur mit Brandenburg.« So ist bei den erneuerbaren Energien zwar der Photovoltaikausbau auch in Berlin möglich, bei Windenergie brauche es aber die Brandenburger Nachbarn.

Nicht nur der Energiesektor müsste für die Klimaneutralität umgekrempelt werden. Eine weitere große Baustelle ist der Verkehr. Ragnhild Sørensen von der aus dem Fahrradvolksentscheid hervorgegangenen Initiative Changing Cities meint, dass sich innerhalb von sieben Jahren die Pkw-Dichte auf 150 Autos je 1000 Einwohner reduzieren ließe. »Unser Ziel sind 180 Kiezblocks, damit hätten wir eine komplett beruhigte Stadt«, sagt sie. Diese Durchfahrtssperren für Autos in Wohnquartieren werden bereits vereinzelt eingesetzt. Manche Anwohner kämpfen erbittert dagegen, anderen geht es nicht schnell genug.

Die dritte große Baustelle liegt im Gebäudebereich. Auch hier sei mehr möglich. Material sei da, es gebe schnell umsetzbare Maßnahmen wie die Dämmung der obersten Geschossdecke. Was den Fachkräftemangel betrifft, könnten auch Ungelernte kurzfristig geschult werden, die Kosten wiederum amortisierten sich in wenigen Jahren, meint Arnold Drewer, der selbst lange Zeit in der Praxis tätig war und nun zu Dämmverfahren berät.

Letztlich bleibt aber die Frage der Umsetzung. Die Initiative Klimaneustart erwartet nicht, dass nach einem erfolgreichen Volksentscheid die Maßnahmen von ganz alleine umgesetzt werden. Das zeigt die Erfahrung der Kampagne zum Fahrradvolksentscheid: Ihr Volksbegehren mündete zwar 2018 erfolgreich in das Mobilitätsgesetz, doch den Initiatoren geht die Umsetzung der Ziele zu schleppend voran. Die Zivilgesellschaft selbst habe aber keine andere Möglichkeit als den Weg des Volksentscheids. »Das Höchste, was wir erreichen können, ist, dass wir ein Gesetz zumindest auf Papier kriegen und die ganze Zeit dann an einer Diskursverschiebung arbeiten«, sagt Ragnhild Sørensen.

Nach der Debatte besteht dazu am 26. März die Chance. Weil der Volksentscheid nicht zeitgleich mit der Berliner Wiederholungswahl stattfinden konnte, kommt es nicht nur darauf an, mehr Ja- als Nein-Stimmen zu erhalten. Auch die erforderliche Wahlbeteiligung, die eine Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten vorsieht, könnte eine Hürde werden. Zumindest die Initiative zeigt sich zuversichtlich.

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