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Berlinale-Film »Heroico«: Der zugerichtete Mensch
Panorama: David Zonana zeigt in »Heroico« die Brutalität der militärischen Ausbildung in Mexiko
Schon der Einstieg macht klar, was den jungen, eher zarten Luis Núñez (Santiago Sandoval Carbajal) erwartet: Härte, Entmenschlichung, Unterdrückung und Gehorsam. Beim Aufnahmegespräch für eine mexikanische Militärakademie wird er danach gefragt, ob er homosexuell sei, ob er missbraucht wurde, ob es in seiner Familie psychische Erkrankungen gibt und so geht das immer weiter. Der Fragensteller, den wir nicht sehen, eher Roboter als Mensch und so sind Luis’ Antworten ebenso mechanisch. Denn der Militärdienst ist seine letzte Chance. Seine Mutter ist schwer krank und er braucht die Familienkrankenversicherung, die der Wehrdienst bietet.
David Zonanas Spielfilm »Heroico«, der auf der Berlinale in der Panorama Sektion läuft, ist eine Spurensuche. Der Regisseur ist schockiert, von der Gewalt, die sein Land seit Jahrhunderten bestimmt und will wissen, wo sie entsteht, warum sie sich bis heute perpetuiert. Neben dem historischen Aspekt, der auf die Zeit der Konquistadoren abzielt, der Armut und Ungleichheit, verbunden mit Korruption und der Brutalität der Kartelle, findet Zonana einen Anhaltspunkt in der Rolle des Militärs und diesen rückt er ins Zentrum seines Films. Sein Drehbuch basiert auf den Erzählungen von Ex-Kadetten. Einige von ihnen spielen in »Heroico« quasi sich selbst und erleben so ihre Traumata noch mal, wie Hauptdarsteller Santiago Sandoval Carbajal.
Zonana und Kamerafrau Carolina Costa schaffen Bilder von teilweise fast unerträglicher Länge und Imposanz. Luis’ gequältes, ratloses und verzweifeltes Gesicht in Großaufnahme, sekundenlang. Oder der Exerzierplatz, ein gewaltiges Ungetüm des Brutalismus, geschaffen aus massiven Steinblöcken und aztekischen Gottheiten. Die passend kleinmachende Kulisse für die Degradierung junger Männer zu willenlosen, gehorsamen Soldaten.
Sicherlich hat man das alles schon mal gesehen.»Heroico« erinnert stark an Stanley Kubricks »Full Metal Jacket« und auch die Charaktere ähneln sich. In jeder Einheit gibt es wohl den »Private Paula«, auf den es die sadistischen Ausbilder besonders abgesehen haben, um ihre Psycho-Spielchen zu spielen und so die unerfahrenen Kadetten einzuschüchtern. Ebenso wie den feingeistigen Widerständler, dem der Drill und die Dumpfheit der Befehle und Rituale so zusetzen, dass er nicht anders kann als zu rebellieren und der am Ende bis ins Unerträgliche dafür leiden wird. Auch die Methoden, um die jungen Männer zu Gehorchen zu zwingen, sind die gleichen: Zu Beginn kommt die Demütigung, in dem man die Rekruten mit Seife eingeschmiert auf dem Boden durch die Duschen schubst. Dann nötigt man die nackten Männer, sich gegenseitig mit einem Holzpaddel zu verdreschen. Am Ende steht das Ziel, den Verstand und die Seele dieser Menschen zu brechen. Anders wäre dieses System auch nicht aufrecht zu erhalten, das zeigt Zonanas »Heroico«.
Was er aber auch offenlegt, ist, wie ausgeliefert Marginalisierte wie Luis’, er gehört der indigenen Volksgruppe der Nahua an, im heutigen Mexiko sind. Als er mit einem General über die Folterungen sprechen will, die der Kadett Mario (Esteban Caicedo) erleiden muss, weil er sich nicht unterwerfen will, sagt der ordenbehangene Vorgesetzte zu Luis, dass das Militär seine einzige Möglichkeit ist, in diesem Land überhaupt irgendwas zu werden (außer Drogendealer).
»Heroico« ist ein kühl und präzise inszeniertes Drama, das davon lebt, dass Zonana die wirklich verstörenden Szene nur sekundär erfahrbar macht. Schreie, Schläge, dumpfes Aufeinanderprallen von Körper und Eisenstange, das alles hören die Zuschauer*innen nur, der eigentliche Horror aber findet im Kopf statt. Genauso ist es bei den gequälten Stimmen aus dem Smartphone, Stimmen des Missbrauchs und der Folter, aufgenommen auf Videos, die sich die Ausbilder zum Vergnügen reinziehen und die auch die Kadetten anschauen müssen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Alles, um ein System zu stützen, dass nur Opfer produziert. Denn selbst der ekeligste Sadist von allen (in Person des Ausbilders Eugenio Sierra (Fernando Cuautle)) offenbart, dass er nur ein Produkt dieser Maschinerie ist. Und diese ganze Zurichtung, die nichts mehr vom Menschen übrig lässt, außer das gehorsame Fleisch, ist dafür da, am Ende bereit dafür zu sein, auf dem Schlachtfeld zu töten oder zu sterben. Und damit wird »Heroico« auch, wenn er es nicht beabsichtigt hat, zu einem Kommentar auf das Weltgeschehen.
»Heroico«: Mexiko 2023. Regie und Drehbuch: David Zonana. Mit: Santiago Sandoval Carbajal, Fernando Cuautle, Mónica del Carmen, Esteban Caicedo. 88 Minuten. Termine: 24.2., 21.45 Uhr: Zoo Palast; 25.2., 16 Uhr: International; 26.2., 21.30 Uhr: Cineplex Titania.
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