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Wie hältst du’s mit dem Krieg?
Trotz einzelner Berührungspunkte: Rechte und linke Kritik an der Nato und Waffenlieferungen an die Ukraine basieren auf gegensätzlichen Wertesystemen
Grenzt sich die Friedensbewegung ausreichend nach rechts ab – und ist sie überhaupt noch links? Über diese Fragen wird in Deutschland nicht erst gestritten, seit über eine halbe Million Menschen Sahra Wagenknechts und Alice Schwarzers »Manifest für den Frieden« unterschrieben haben. Auch die AfD äußert Kritik an der Nato und an Waffenlieferungen in die Ukraine – genau wie die Linkspartei, die den Angriff Russlands auf die Ukraine zwar verurteilt, die Lieferung von Waffen in Konfliktgebiete aber auch in diesem Fall ablehnt. Wächst hier – wie Kritiker*innen immer wieder behaupten – zusammen, was nicht zusammengehört? Schließen sich in der Friedensbewegung die Reihen zu einer Querfront, in der Rechts und Links nicht mehr unterscheidbar sind?
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Vielleicht ist es hilfreich, sich dieser Frage zu nähern, indem man die eigene Position in der Sache zunächst einmal ausklammert. Unabhängig davon, wie man selbst zu diesen Fragen steht, lässt sich feststellen, dass es sowohl rechte als auch linke Kritik an der Nato und an Waffenlieferungen gibt. Diese Kritiken weisen gewisse inhaltliche Überschneidungen auf, die sich aber in Grenzen halten. Gleichzeitig werden sie auf Grundlage zweier gänzlich verschiedener Wertesysteme geäußert. Was dies wiederum für die Strategie und Taktik der Friedensbewegung, linker Parteien oder der gesellschaftlichen Linken insgesamt bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Doch der Reihe nach.
Auch auf der Rechten gibt es unterschiedliche Einstellungen zum Ukrainekrieg. Die rechtsextreme Kleinpartei »Der Dritte Weg« stellt sich fest auf die Seite des ukrainischen Militärs, weil sie in Wladimir Putin die Wiederkehr des Bolschewismus sieht – eine offensichtlich vollkommen realitätsferne Behauptung.
In der großen Mehrheit steht das rechte und rechtsextreme Spektrum in Deutschland einer Unterstützung der Ukraine aber kritisch gegenüber – entweder weil es offen mit Putin und seinem reaktionären Regime sympathisiert oder weil ihm das Schicksal der Menschen in der Ukraine gleichgültig ist und es aus den negativen Auswirkungen des Kriegs im eigenen Land politisches Kapital schlagen will.
Die Kritik der AfD an der Nato und an Waffenlieferungen an die Ukraine lautet im Kern: Die Interessen Deutschlands als Nationalstaat kämen zu kurz. So sieht die AfD weder das transatlantische Militärbündnis noch eine enge Partnerschaft mit den USA als grundsätzlich problematisch an. Allerdings müsse dies eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein – was derzeit nicht der Fall sei. Dazu gehöre unter anderem, dass man die Ukraine fallen lassen solle, der Konflikt mit Russland sei nicht im deutschen Interesse und habe zu viele negative Auswirkungen. Auch bei der AfD gibt es unterschiedliche Haltungen zur Nato und zum Krieg, sie lassen sich aber leichter auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
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Anders als auf der Linken spielt auf der Rechten die grundsätzliche Kritik an militärischer Gewalt – und Gewalt überhaupt – als Mittel der Politik keine Rolle. Ganz im Gegenteil: Politiker der AfD beklagen ganz offen die »Umerziehung« der Deutschen hin zum Pazifismus nach 1945 und wünschen sich eine Remilitarisierung der Gesellschaft. Militärische Gewalt soll wieder selbstverständlicher Teil der Außenpolitik werden – nur eben nicht gegen Russland. Doch gegen eine massive Militarisierung der EU-Außengrenzen hätte die AfD sicher nichts einzuwenden. Bereits 2016 wollte Frauke Petry »notfalls« an den Grenzen scharf schießen lassen – und Petry verließ die Partei 2017, sie war ihr zu rechtsextrem geworden. An den Grenzen der EU und der Schengenzone sowie im Mittelmeer sterben die Menschen bereits heute zu Tausenden. Der AfD geht dies längst nicht weit genug.
Ebenfalls 2016 unternahm das völkisch-nationalistische Lager innerhalb der AfD den Versuch, den Nato-Austritt Deutschlands ins Parteiprogramm aufzunehmen. Vor allem Alexander Gauland, Verfechter einer starken Westorientierung der Partei, sprang damals in die Bresche. Der Antrag fand keine Mehrheit. Der Konsens, die Interessenlage innerhalb der Nato, aber nicht das Militärbündnis an sich zu kritisieren, scheint seither im Großen und Ganzen zu halten.
Auf der Linken – so unterschiedlich die konkreten Positionen auch sein mögen – herrscht hingegen die Zielvorstellung einer Welt ohne Krieg und Gewalt. Auf dieser Basis kritisiert sie auch die Nato. Diese ist alles andere als ein Verteidigungsbündnis – sie war und ist in zahlreiche Kriegseinsätze außerhalb ihres Territoriums involviert, die, aller Beteuerungen des Gegenteils zum trotz, eine ungerechte Weltordnung aufrechterhalten und die Vorherrschaft des Westens untermauern. Ihre »humanitären Interventionen« scheitern zuverlässig daran, die Lebenssituation von Menschen nachhaltig zu verbessern. Gegner*innen des Afghanistan- und Irakkriegs (letzterer kein Unterfangen der Nato, auch wenn die Bush-Regierung dies sicher gerne gesehen hätte) mussten sich wüste Beschimpfungen gefallen lassen – und behielten recht. Frieden, darin sind sich die allermeisten Linken einig, gibt es nur auf Basis einer anderen Weltordnung. Doch so sehr man dieses abstrakte Ziel teilen mag, so gehen die Vorstellungen, wie es zu erreichen sei, mitunter weit auseinander.
Wo immer es eine Linke gibt, streitet sie sich. Doch vielleicht hat es die Linke in Deutschland in dieser Hinsicht besonders schwer. Das hat historische Gründe, zu denen die Haltung der SPD zum ersten Weltkrieg gehört, ebenso wie die Abspaltung der USPD von der Sozialdemokratie, die Niederschlagung der Revolutionen von 1918/19, der Exodus vieler Antikapitalist*innen und Sozialist*innen aus der SPD zwischen den 1950er und 1980er Jahren sowie die Teilung Deutschlands in zwei Staaten.
Ein Großteil der westdeutschen Linken steht in einer langen Tradition der außerparlamentarischen Opposition und grundsätzlichen Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, die in sozialen Bewegungen verwurzelt ist. Sie weist tendenziell noch immer eine Scheu auf, positive Politikvorschläge im Sinne einer parlamentarischen Agenda oder eines Regierungsprogramms auszuformulieren. In Gestalt der Partei Die Linke tut sie es zwar, doch im Grunde ist es ihr bis heute fremd. Auch die Linke im Osten Deutschlands hat offensichtlich keine Tradition der Politik im Staat, auf die sie sich ungebrochen affirmativ beziehen könnte. Es fällt der Linken in Deutschland bis heute sehr viel einfacher, politische Ziele zu formulieren, als Wege dorthin auszuleuchten und sich darüber einig zu werden, welchen von ihnen sie einschlagen möchte. Das gilt nicht nur in Bezug auf Frieden in der Ukraine, doch an dieser Stelle tritt das Phänomen deutlich zu Tage.
Rechte Kritik an der Nato, an Waffenlieferungen in die Ukraine und an einer Politik, die zur geopolitischen Eskalation beiträgt, verfängt auch deshalb so gut, weil sich die Rechte diese Schranken nicht selbst auferlegt. Die Rechte konstruiert einen klaren Interessenstandpunkt, von dem aus sie scheinbar pragmatisch argumentieren kann – den nationalen. Für die AfD und die Rechte allgemein stellt es kein strategisches Dilemma und keinen Bruch mit ihrer internen Kultur da, die Nato zu kritisieren, weil sie »deutsche Interessen« nicht angemessen verteidigt. Aber es gibt keine »deutschen Interessen«, die Volksgemeinschaft, in deren Namen hier gesprochen wird, ist eine rein imaginäre.
Seit es das Konzept der Nation im modernen Sinn gibt, wird darauf rekurriert, um gegensätzliche Klasseninteressen zu verdecken. Doch die Rechte kann sich dieser Konstruktion scham- und gefahrlos bedienen, ihre gesamte diskursive Strategie beruht darauf, dass die Vorstellung einer normierten nationalen Gemeinschaft, die sie gegen Außenseiter wie gegen illoyale Eliten verteidigt, nicht in Frage gestellt wird. Diese Strategie steht und fällt damit, dass sie ihre Anhängerinnen und Wähler davon überzeugen kann, sich als Teil dieser nationalen Gemeinschaft aufzufassen.
Die Schwierigkeiten der Linken, eine positive Vision für eine Friedenssicherung in Europa und der Welt auszuarbeiten, liegen auch darin begründet, dass sie sich in so vielen anderen Fragen uneinig ist. Ein Plan für die europäische Sicherheit, der über vage Formulierungen hinausgeht, würde eine grundsätzliche Einigkeit in der Orientierung gegenüber der Europäischen Union voraussetzen. Dass sich die Linke in Deutschland in solch fundamentalen Fragen nicht einig wird, liegt auch daran, dass ihr ein pragmatisches Verhältnis zum Staat und den Klassenkonflikten innerhalb seiner Institutionen fehlt, ebenso wie eine echte strategische Tradition, wie sie die angelsächsische oder lateinamerikanische Linke entwickelt haben.
Rechte und linke Kritik an der Nato und an Waffenlieferungen kommen sich nicht zufällig dort am nächsten, wo auf der Linken eine ähnlich homogene nationale Interessenlage angenommen wird. Hier geht es nicht darum, irgendjemandem das Linkssein oder emanzipatorische Ziele abzusprechen. Dennoch ist es kein Zufall, dass Figuren wie Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine so oft Applaus von rechts bekommen, ob sie ihn nun begrüßen oder nicht: Sie repräsentieren die Strömung auf der Linken in Deutschland, die noch am ehesten an einen relativ konfliktfreien nationalen Klassenkompromiss glaubt. Doch nur, weil die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf alle gesellschaftlichen Interessengruppen in Deutschland tendenziell negativ ausfallen, bedeutet das nicht, dass dies beim nächsten Krieg oder Militäreinsatz genauso sein muss. Es ist naiv anzunehmen, dass sich Klassenkonflikte dauerhaft durch die Priorisierung »nationaler Interessen« beilegen lassen – ob in der Innen- oder Außenpolitik.
Damit linke Politik überhaupt funktionieren kann, muss Kooperation auf anderer Grundlage möglich sein als durch Abschreckung, Zwang und Gewalt. Dieses Denken ist der Rechten gänzlich fremd. Eine gesellschaftliche wie geopolitische Ordnung kann in ihrer Weltsicht nur auf dem Recht des Stärkeren basieren. Diese Perspektive kann niemals Grundlage emanzipatorischer Politik sein. Die Rechte ist gegen diesen Krieg, die Linke ist für eine Welt ohne Kriege – daran ändert zufällige Einigkeit zu Einzelfragen nichts.
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