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Gebet an der Friedensglocke

Christen üben in Frankfurt (Oder) Solidarität mit der Ukraine

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Rund 800 Menschen versammelten sich am Freitagabend in Frankfurt (Oder), um sich mit der von Russland angegriffenen Ukraine zu solidarisieren, darunter viele in die Oderstadt geflüchtete Ukrainerinnen. Sie forderten ein sofortiges Ende der russischen Kampfhandlungen. Angemeldet hatten die Demonstration deutsche und ukrainische Privatpersonen, hauptsächlich aus dem universitären und kirchlichen Spektrum. Viele Menschen hatten ukrainische Fahnen mitgebracht, auch einzelne deutsche und polnische Fahnen waren zu sehen. Auf Transparenten stand: »Stoppt den Krieg«, »Schützt die Demokratie« und »Russland ist ein Terrorstaat«.

Um 16.30 Uhr hatten rund 100 Christen an der symbolträchtigen Friedensglocke direkt am Oderufer für Frieden gebetet. Das tun sie seit einem Jahr jeden Freitag, oft unter Beteiligung ukrainischer Geflüchteter. Die Glocke, ein 1953 errichtetes Baudenkmal, steht hier »zwischen zwei Ländern, was noch einmal ein besonderer Ort ist«, drückte es eine Teilnehmerin aus. Die drei Tonnen schwere Glocke wird traditionell zum Weltfriedenstag am 1. September geläutet, und seit einem Jahr freitags zu den Friedensgebeten.

Als sich 800 Demonstranten um 17 Uhr vor der Europa-Universität Viadrina versammelten, lag ein kalter Sprühregen über der Stadt. »Unsere Universität hat sich im letzten Jahr sehr verändert, denn die Welt ist eine andere geworden«, sagte Universitätspräsidentin Eva Kocher. Ihre Hochschule stehe an der Seite der Ukraine, unterstütze Forschende und Studierende. Rund 250 Geflüchtete aus diesem Staat habe die Universität aufgenommen. »Sie sind eine große Bereicherung für unsere akademische Gemeinschaft. Unsere Universität versteht sich als Brückenbauerin in Europa«, sagte Kocher. Die neuen Kolleginnen und Studentinnen hätten der Viadrina aber auch gezeigt, dass es noch viel gibt, was über die Ukraine gelernt werden könne.

Eine der Angekommenen ist Olena Selenko aus Charkiv, die an der Viadrina Journalismus und Public Relations lehrt. Sie sprach von ungezählten Schul- und Universitätsgebäuden, Bibliotheken und Lehrlaboren in der Ukraine, die im Krieg zerstört wurden. Die Vermittlung von Bildung gehe aber weiter: Lehrende würden aus Privatwohnungen und Cafés heraus Onlinekurse geben, die Menschen in Luftschutzbunkern verfolgen, sagte Selenko. Unter großem Applaus der Teilnehmer dankte eine ukrainische Studentin der Stadt und der Universität für ihre Aufnahme.

Superintendent Frank Schürer-Behrmann, ein 1965 geborenes »Nachkriegskind«, wie er es ausdrückte, sprach von den Erzählungen seiner Mutter, die den Zweiten Weltkrieg als Kind in Hamburg erleben musste. Erzählungen, die ihn geprägt haben. Der überfallenen Ukraine wünschte Schürer-Behrmann, »dass sie die Hilfe bekommt, die sie braucht«.

Anschließend bildete sich ein Demonstrationszug zur Oderbrücke. Es gab Sprechchöre in ukrainischer Sprache, die eine einheitliche und freie Ukraine verlangten, unterbrochen von der englischen Losung »Stop war« (Stoppt den Krieg) und der deutschen Parole »Hoch die internationale Solidarität«.

Bürgermeister Claus Junghanns (CDU) freute sich an der Oderbrücke, die seit einem Jahr ihre Tore weit geöffnet habe für Geflüchtete aus der Ukraine, über »das deutliche Zeichen gegen den Krieg. Seit 2014 kämpfe Russland verdeckt militärisch gegen die Ukraine, seit einem Jahr offen. «Russland kann diesen Krieg sofort beenden», sagte der Bürgermeister.

Er sei stolz, für eine Stadt arbeiten zu dürfen, die so Großartiges geleistet habe bei der Aufnahme so vieler ukrainischer Menschen, erklärte Junghanns. Er dankte den Bürgern der Stadt, die vor einem Jahr am Bahnhof Brote geschmiert, Koffer getragen und Menschen bei sich zu Hause aufgenommen hatten. «Da habe ich so viel Menschlichkeit und Schmerz erlebt, was ich nie vergessen werde.» Junghanns weiter: «Ich danke aber auch denjenigen Bewohnern unserer Stadt, die in den Folgemonaten ihre Autos mit Medikamenten beladen haben, um sie in die Ukraine zu fahren.» Ukrainer dankten den Frankfurtern für ihre Solidarität, «gerade weil es morgen einen anderen Demonstrationszug durch Frankfurt geben wird».

Gemeint war damit die Demonstration der sogenannten Freigeister, die am Samstag mit Trommeln und Russlandfahnen durch die Stadt zogen und denen 1300 Menschen folgten. Beobachtern zufolge ist diese Gruppierung aus den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen hervorgegangen. Sie rekrutiert sich teils aus derselben Personengruppe, hielt damals wie heute Montagsdemonstrationen ab, mit denen sich viele Personen aus dem rechten Spektrum identifizieren.

Laut dem Stadtverordneten Jan Augustyniak (Linke), der auch Sprecher des Bündnisses «Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)» ist, nahmen «mehrere stadtbekannte und überregionale Neonazis» am Samstag an diesem Aufmarsch teil. «Sie fielen durch das Tragen von eindeutig rechten Symbolen auf», erklärte Augustyniak. Ein Video, das der Sender «Oderwelle» verbreitete, zeigt Gewalt von Teilnehmern gegen Gegendemonstranten, die sich friedlich auf die Straße gelegt hatten. Die Angriffe bestätigen den Radikalisierungsprozess der Freigeister, urteilt Jan Augustyniak: «Sie zeigen, was sie unter Friedfertigkeit verstehen.»

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