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Gewalteskalation trotz Verhandlungen
Zusammenstöße zwischen Siedlern und Palästinensern im Westjordanland erschweren Dialogversuche
Das Bild der Zerstörung ist immens: 35 Häuser seien bis auf die Grundmauern niedergebrannt, teilt die palästinensische Regierung mit; 75 weitere Gebäude seien zum Teil schwer beschädigt worden. Außerdem wiesen an die 100 Autos Totalschäden auf. Mindestens ein Palästinenser kam ums Leben. »Die Bilder des zerstörten Hawara sollten für immer in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt sein«, kommentierte das Nachrichtenportal ynet.co.il am Montagmorgen.
Stunden zuvor waren israelische Siedler*innen in die palästinensische Stadt Hawara in der Nähe von Nablus eingefallen, hatten dort stundenlang randaliert, weitgehend ungehindert von israelischem Militär, der Polizei, palästinensischen Sicherheitskräften. Nur sechs Personen wurden festgenommen und kurze Zeit später wieder freigelassen.
Kurz vor den Ausschreitungen in Hawara hatte ein palästinensischer Schütze im israelisch besetzten Westjordanland zwei Brüder erschossen; er soll aus der Stadt stammen. Für Entrüstung sorgten aber auch die Reaktionen der israelischen Regierung: Premierminister Benjamin Netanjahu forderte während der Ereignisse per Videobotschaft im Internet ein Ende der Ausschreitungen. Das Militär, das, wenn es um Palästinenser*innen geht, schnell handelt, sei derweil nicht in substanzieller Stärke vor Ort gewesen, berichten Anwohner*innen. Und auch Mitarbeiter der Vereinten Nationen, die am Sonntagabend versuchten, sich vor Ort ein Bild zu machen, äußerten den Eindruck, dass man die Randalierer*innen einfach gewähren ließ.
Erst Stunden nach dem Beginn der Ausschreitungen rief Finanzminister Bezalel Smotrich, Abgeordneter des rechtsradikalen Wahlbündnisses »Religiöser Zionismus«, zu Ruhe auf. Smotrich fordert zur Zeit die Übertragung der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten an ihn. Vor Beginn der Ereignisse hatte er noch einen Twitter-Post geliked, in dem ein Lokalpolitiker dazu aufrief, »Hawara dem Erdboden gleichzumachen.« Itamar Ben Gvir, Minister für nationale Sicherheit und ebenfalls Abgeordneter der Religiösen Zionist*innen, schwieg derweil bis Montagmorgen. Anders als einige seiner Parteifreunde. Der Abgeordnete Zwikah Foghel erklärte, ein brennendes Hawara sei genau das, was er sehen wolle. Und Limor Sonn Har Melech bezeichnete die Randale als »gerechten Wutschrei«.
Seit Jahresbeginn sind 66 Palästinenser*innen vom israelischen Militär oder Siedler*innen getötet worden. 13 Israeli*innen starben bei palästinensischen Anschlägen. Am Sonntag trafen sich Vertreter*innen der Regierungen Israels, der Palästinenser*innen, Ägyptens sowie der USA auf Einladung der jordanischen Führung in Akaba. Das Ziel: Die Lage zu beruhigen. Es war das erste Treffen dieser Art seit mehreren Jahren.
Nach dem Treffen veröffentlichte das US-Außenministerium eine gemeinsame Erklärung der fünf Regierungen. Darin bekennen sich Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde zu allen bestehenden vertraglichen Vereinbarungen und zum Status quo in Ost-Jerusalem. Außerdem verpflichten sich beide Seiten dazu, für »drei bis sechs Monate« alle einseitigen Schritte zu unterlassen. Israel werde für vier Monate keine neuen Gebäude errichten und für bis zu sechs Monate keine ungenehmigten Siedlungen nach israelischem Recht legalisieren. Man werde sich im März wieder im ägyptischen Scharm El-Scheikh treffen, um weitere Schritte zu besprechen.
Die Erklärung war noch gar nicht veröffentlicht, als Ben Gvir und Smotrich dazwischengrätschten: Der Gipfel sei überflüssig, sagte Smotrich. Es werde keinen Baustopp für auch nur einen einzigen Tag geben. Und Ben Gvir erklärte: »Was in Jordanien passiert (falls es passiert), bleibt in Jordanien.« Die israelische Regierung hatte unter anderem den Bau von mehreren Tausend Wohneinheiten in Siedlungen und die Legalisierung von ungenehmigten Siedlungen bekannt gegeben. Besonders erstaunlich: Auch Netanjahus Sicherheitsberater, der die gemeinsame Erklärung in Akaba mit ausgehandelt hatte, sagte nach dem Treffen, Israels Regierung werde wie geplant 9500 Wohneinheiten in Siedlungen bauen lassen und neun ungenehmigte Siedlungen autorisieren.
In Washington reagierte man mit diplomatischer Zurückhaltung schmallippig: Das Treffen sei nur ein Anfang gewesen, erklärte Jake Sullivan, Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden. In den kommenden Wochen und Monaten sei noch viel zu erledigen.
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