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Kirchner weist Korruptionsvorwürfe zurück
Bundesgericht veröffentlicht Urteilsbegründung gegen die Vizepräsidentin von Argentinien
Mehrere tausend Menschen haben am Samstag für Argentiniens Vizepräsidentin Cristina Kirchner demonstriert. Mit Sprechchören wie »Cristina Presidenta« forderten sie Kirchner auf, bei der kommenden Wahl für das Präsidentenamt zu kandidieren. Sie wandten sich entschieden gegen ein mögliches Verbot der Präsidentschaftskandidatur der Politikerin, die das Amt von 2007 bis 2015 innehatte.
Cristina Kirchner war am 6. Dezember zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Vergangenen Donnerstag hatte das Zweite Bundesgericht in Buenos Aires die Urteilsbegründung veröffentlicht. »Wir haben es mit einem Fall von staatlicher Korruption zu tun, der die Legitimität der öffentlichen Institutionen, die Gesellschaft, die moralische Ordnung und die Gerechtigkeit sowie die umfassende Entwicklung der Völker untergräbt«, schrieben die drei Richter.
Neben der Haftstrafe verhängte das Gericht ein lebenslanges Verbot, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Von den 12 Mitangeklagten wurden acht ebenfalls zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, vier wurden freigesprochen. Das Urteil wird jedoch erst dann rechtskräftig, wenn alle Instanzen durchlaufen sind und die Schuld vom Obersten Gerichtshof als letzter Instanz bestätigt wird.
»Es sind Millionen von Wörtern, die keinerlei Beweise liefern«, kommentierte Cristina Kirchner die über 1600-seitige Urteilsbegründung. Einziges Ziel sei das Verbot ihrer Kandidatur bei den kommenden Wahlen, das »eine mafiöse Allianz zwischen Justiz und Opposition« erreichen wolle.
Im Verfahren gegen Kirchner ging es um 51 Straßenbauprojekte in der Provinz Santa Cruz, für die vor allem die Baufirma Austral Construciones des Unternehmers Lázaro Báez von 2003 bis 2015 von den damaligen Kirchner-Regierungen Aufträge erhalten hatte. Insgesamt betrug ihr Volumen eine Summe von umgerechnet fast einer Milliarde Euro. Báez wurde zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Beteiligung von »Mitgliedern der höchsten Ebene der Exekutive, der nationalen Straßenbehörde und der Straßenverwaltung der Provinz Santa Cruz, in Absprache mit einem Bauunternehmer, an den Taten« sei erwiesen. »Das Ausmaß des hier untersuchten kriminellen Unternehmens erforderte eine hervorragende Planung und Raffinesse, wobei verschiedene Verwaltungsebenen mit demselben Ziel handelten«, so die Richter. Ziel sei gewesen, »einen wirtschaftlichen Nutzen sowohl für den Unternehmer als auch für die Ehegemeinschaft der ehemaligen Präsidenten Néstor Carlos Kirchner und Cristina Elisabet Fernández de Kirchner sicherzustellen«.
Kirchners Anwalt, Carlos Beraldi, hatte einen Freispruch für seine Mandantin gefordert, da »sie nie eine Weisung in Bezug auf die in diesem Fall untersuchten Aufträge erteilte«. Nach Auffassung der Richter sei Kirchner für den erwiesenen Betrug dennoch strafrechtlich verantwortlich. »Die Erlöse, die der Unternehmer durch das betrügerische Manöver unrechtmäßig erlangt hat, waren zum Teil für die Familienunternehmen der ehemaligen Präsidentin bestimmt«, argumentieren sie in der Urteilsbegründung.
Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung haben nun zehn Tage Zeit, ein Berufungsverfahren zu beantragen. Auch von der Anklage wird erwartet, dass sie Berufung einlegen wird. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von 12 Jahren Haft für Cristina Kirchner beantragt, da sie nach ihrer Auffassung als Anführerin einer illegalen Vereinigung handelte. Dieser Anklagepunkt war von den Richtern mehrheitlich verworfen worden.
Der Gang durch die Instanzen könnte mehrere Jahre dauern. Kirchner steht es bei den diesjährigen Präsidentschaft- und Kongresswahlen offen, für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Sollte das Urteil bestätigt werden, müsste Cristina Kirchner dennoch nicht ins Gefängnis. Am 19. Februar wurde sie 70 Jahre alt und kann aus Altersgründen nur unter Hausarrest gestellt werden.
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