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  • Streik im öffentlichen Dienst

Müllberge nach Warnstreik der Stadtreinigung in Berlin

Sichtbar systemrelevant: Nach den Warnstreiks bei Müllabfuhr und Stadtreinigung vergangene Woche versinkt Berlin in Abfall

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Grüne und gelbe Mülltüten, gefüllte Papiertüten von dem Drogeriemarkt DM und dem Lieferdienst Gorillas, Kartons, Holzlatten und ein paar lose Gegenstände stapeln sich in einer Tiefgarage. Die vier Müllcontainer dahinter sind kaum noch zu sehen. Das Foto hat ein Twitter-Nutzer am Montag auf der Plattform veröffentlicht. Darüber schreibt er: »Hey, BSR, wir brauchen euch wieder!«

Das Foto ist nur eines von vielen Zeugnissen aus der im Müll versinkenden Hauptstadt. Denn mit etwas Verspätung machen sich die Warnstreiks der Berliner Stadtreinigung (BSR) von vergangener Woche bemerkbar. Die Müllabfuhr arbeitet zwar wieder, mit den Müllbergen hat sie jedoch noch zu kämpfen.

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Angesichts überquellender Container und vermüllter Hinterhöfe müssen sich wohl einige naserümpfende Berliner*innen bei der BSR gemeldet haben. Sie stellte auf Twitter klar: »BSR wird derzeit nicht bestreikt«. Und weiter: »Auch Müllabfuhr und Straßenreinigung sind im Einsatz. Wir bemühen uns, Streikfolgen nach und nach zu beseitigen.«

Vier Tage lang hatten Mitarbeiter*innen der BSR die Arbeit niedergelegt: Am Montag und Dienstag standen fast 100 Prozent der Müllwagen still, wie Marcus Borck, Verdi-Fachbereichsleiter für Ver- und Entsorgung, auf »nd«-Anfrage mitteilt. Am Mittwoch fiel die Müllabholung und Straßenreinigung ohnehin wegen des Feiertags aus. Donnerstag und Freitag nahmen diese Bereiche der Stadtreinigung zwar wieder ihre Arbeit auf, dafür bestreikten die BSR-Beschäftigen die Entsorgungsanlagen, Deponien und Recyclinghöfe. Die Folge: Der Müll stapelte sich nicht mehr nur in den Innenhöfen, sondern auch vor den Anlagen.

»Eine Streikstrategie hängt auch mit der Frage zusammen: Wie kann man einen Arbeitgeber mit wenigen Mitteln gut treffen?«, erklärt Borck das kalkulierte Chaos. Auf die Beschäftigten komme zwar nun eine anstrengende Woche zu. »Es bedeutet Mehrbelastung, und eventuell auch Mehrarbeit, wenn die Touren länger dauern, weil mehr Aufräumarbeiten getätigt werden müssen«, so Borck. Doch in diesem Fall stünde den Müllwerker*innen und Straßenreiniger*innen ein finanzieller Ausgleich zu. »Dadurch werden die Streikkosten für den Arbeitgeber noch einmal in die Höhe getrieben.« Ein weiterer wichtiger Effekt ist die Sichtbarkeit. Gerade im öffentlichen Dienst sei es schwierig, den Streik für Außenstehende seh- und spürbar zu machen, so Borck. »Deshalb ist der liegengebliebene Müll genau das richtige Zeichen: Das sind die Streikfolgen, dahinter stehen die Kolleginnen und Kollegen, die gestreikt haben.«

Mit dem Warnstreik antworteten die Beschäftigten auf die zweite Verhandlungsrunde für den bundesweiten Tarifvertrag. Zusammen mit Beschäftigten aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes wie den Wasserbetrieben, den kommunalen Krankenhäusern Vivantes, der Charité und dem Jüdischen Krankenhaus im Wedding oder dem Studierendenwerk waren sie damit dem Aufruf von Verdi zum Warnstreik gefolgt.

Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 500 Euro mehr für alle Beschäftigen im öffentlichen Dienst und 200 Euro mehr für die Auszubildenden. Das Ergebnis aus der zweiten Verhandlungsrunde lehnte Verdi ab. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte eine zweistufige Lohnerhöhung um drei Prozent im Oktober und noch einmal zwei Prozent im Juni 2024 sowie zwei einmalige Zahlungen angeboten.

Doch die vorgeschlagenen Jahressonderzahlungen würden höhere Entgeltgruppen bevorzugen, so Borck. »Die niedrigen Einkommensgruppen leiden viel mehr unter den Preissteigerungen.« Gerade bei der BSR fallen die Reinigungs- und Müllabfuhrjobs in die unteren Gehaltsklassen. Rund 2600 Angestellte kümmern sich um die Straßen- und Grünflächenreinigung und verdienen dafür als Bedarfskraft in Teilzeit rund 1600 Euro brutto im Monat, in fester Vollzeit-Anstellung knapp 3000 Euro brutto. Sogenannte Müllwerker*innen bekommen laut BSR 3133 Euro brutto. Am 27. März geht es in die dritte Verhandlungsrunde. Davor werde es weitere Streiks geben – auch von BSR-Beschäftigten, kündigt Borck an.

Wo genau sich der Müll am Montag stapelt und ob die Berliner*innen mit einer früheren Abholung als zum turnusüblichen Termin einmal pro Woche rechnen können, teilte die BSR auf »nd«-Nachfrage nicht mit. Dafür bestätigten mehrere Hausmeisterdienste die desolate Lage auf den sogenannten Müllstandflächen. Ein Hausmeister aus Friedrichshain mit eigenem Unternehmen berichtete gegenüber »nd« von zahlreichen Fotos, die ihm seine Mitarbeiter*innen am Montag von ihren Arbeitsorten geschickt hätten. »Das ist eine Katastrophe, da wird nichts abgeholt, kein Biomüll, kein Papier, kein Plastik.« Verständnis für den Streik hat er trotzdem. »Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander.« Da sei ein Streik das Mindeste.

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