KI kann mehr als Hausaufgaben

SPD in Schleswig-Holstein lässt Antrag von Künstlicher Intelligenz formulieren

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ein politischer Werbegag, das weiß mit Sicherheit auch Thomas Losse-Müller. Doch es ist ein Werbegag mit politischer Botschaft. Die SPD-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein hat einen Antrag eingebracht, der sich mit den Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz (KI) auseinandersetzt. Die Debatte dazu soll nächste Woche im Kieler Parlament stattfinden. So weit, so unspektakulär. Doch der Clou ist: Den Antrag hat im Wesentlichen eine KI verfasst. »Ein Landtagsantrag, der nicht von Menschen geschrieben wurde? Vor einem Jahr noch undenkbar«, staunt auch Fraktionschef Losse-Müller.

»Plötzlich hat jeder Zugang zu einer leistungsfähigen KI, die Kindergeschichten schreiben, programmieren, Reden formulieren oder Informationen zusammenfassen kann. Die Texte sind quasi nicht mehr von denen menschlicher Autoren zu unterscheiden. Das führt zu neuen politischen Fragen«, sagt der SPD-Politiker. Losse-Müller spricht von einem Entwicklungssprung, der sich durch neue Technologien wie die viel diskutierte Software ChatGPT, ein KI-Programm, das automatisiert Texte zu jedem Thema produzieren kann, zeigt.

Die SPD im Nordosten sieht viele mögliche Vorteile. So sei Künstliche Intelligenz in der Lage, die Effizienz der Verwaltung zu steigern, Prozesse zu automatisieren und damit auch finanzielle Einsparungen zu ermöglichen. »Um die Potenziale voll ausschöpfen zu können und Antworten auf die neuen Fragen zu finden, muss die KI-Strategie des Landes aktualisiert werden«, heißt es in dem Antrag.

Anerkennend erklärt der SPD-Politiker: »Verschiedene Regierungen in Schleswig-Holstein haben sich intensiv und bundesweit vorne um Fragen der Digitalisierung gekümmert. Gerade im Bereich der KI gab es eine Reihe von Initiativen der Landesregierung in den vergangenen Jahren«, lobt Losse Müller. Schleswig-Holstein war 2019 das erste Bundesland, das sich ein eigenes KI-Strategiepapier gab, das 2021 bereits das erste Mal von der damaligen Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und den Grünen überarbeitet wurde. Inzwischen haben auch andere Länder wie Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen nachgezogen und eigene Leitlinien entwickelt.

Chatbots nehmen Arbeit ab

Das Konzept aus dem hohen Norden benennt aktuell acht Handlungsfelder, darunter Verwaltung, Bildung, Kultur sowie Klimaschutz und Energiegewinnung, in denen KI immer wichtiger wird, es deshalb mehr Forschung und Entwicklung, aber auch gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist etwa das Ziel benannt, Prozesse mittelfristig zu automatisieren. Praktische Anwendungen sind vielfach denkbar. Chatbots etwa können Anfragen von Bürger*innen an die Verwaltung beantworten oder bei Fragen zu Anträgen behilflich sein, Behörden kann KI beispielsweise dabei unterstützen, größere Datenmengen zu verarbeiten.

Zur Vernetzung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik existiert in Schleswig-Holstein seit 2020 das sogenannte KI-Transfer-Hub SH, das vor allem kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu KI-Technik erleichtern soll. Zu den Angeboten zählen neben der Beratung auch die finanzielle Projektförderung sowie Schulungen. Dass die Vernetzung längst auch länderübergreifend stattfindet, zeigte sich zuletzt in der vergangenen Woche. Digitalisierungsminister Dirk Schrödter (CDU) war zu Gesprächen in Dänemark, um in Odense über eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Robotik und Medizin zu sprechen. Die Stadt auf der Insel Fünen wirbt international für sich als »Cobot-Hauptstadt der Welt«, gemeint sind damit Roboter, die gemeinsam mit Menschen arbeiten und diese bei bestimmten Arbeitsschritten entlasten.

Auch im Bereich Bildung tut sich im Norden etwas. Zu Wochenbeginn fand in Kiel eine Konferenz unter Führung des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums statt. Diese sollte der Startschuss zur Entwicklung einer KI-Strategie Schule sein, bei der es nicht nur darum gehen soll, wie Lehrer*innen damit umgehen, wenn Schüler*innen ihre Hausaufgaben von ChatGPT erledigen lassen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.